Bomben-Attrappe im Stadtteil Rheinhausen Duisburger Kurden haben Angst vor IS

Duisburg · In dem Duisburger Stadtteil Rheinhausen soll ein Imam Jugendliche für den Islamismus werben. Kurden, die dort Geschäfte haben, fühlen sich bedroht.

Verdächtiger Gegenstand - Duisburger Polizei sperrt Straße ab
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Foto: Christoph Reichwein

Rund um die Atroper Straße in Duisburg-Rheinhausen reihen sich Wettbüros, Spielhallen, Teestuben und Dönerbuden aneinander. Die meisten Geschäfte befinden sich fest in türkischer oder kurdischer Hand. Immer wieder gibt es dort Großrazzien der Polizei wegen illegalen Glücksspiels und Drogendelikten. Ercan D., Kurde und Alevit, besitzt dort eine Spielhalle.

Der 40-Jährige ist in Rheinhausen aufgewachsen. Er kennt jeden im Viertel, und jeder kennt ihn. Sein Wort hat Gewicht. Doch auf das, was sich seit einigen Wochen und Monaten in seinem Kiez abspielt, hat selbst er keinen Einfluss mehr. "Ein selbst ernannter Imam wirbt dort Jugendliche für den Islamischen Staat an", sagt er. "6000 Euro Prämie soll er für jeden bekommen, den er nach Syrien schleust", sagt Ercan D.

C. bestreitet, die Sikh-Attentäter zu kennen

Der Prediger, von dem er spricht, heißt Hassan C. und ist dem Verfassungsschutz bekannt, weil ihm Kontakte in die radikale salafistische Szene nachgesagt werden. Er steht deshalb unter Beobachtung der Sicherheitsbehörden. Die beiden mutmaßlichen Attentäter des Bombenanschlags auf den indischen Sikh-Tempel in Essen sollen bei ihm verkehrt haben, heißt es aus Sicherheitskreisen. Neben seinem Reisebüro befinden sich Räumlichkeiten, in denen C. Jugendlichen angeblich Arabisch beibringt und aus dem Koran vorliest. C. bestreitet, die Sikh-Attentäter zu kennen. Er bestätigt aber, Arabisch zu lehren.

Ercan D. und viele seiner kurdischen Geschäftsfreunde fühlen sich von den Personen aus dem Dunstkreis des Imans bedroht, weil die meisten Kurden wie Ercan D. alevitischen Glaubens sind und sich deutlich vom radikalen Islam distanzieren. "Wir sind Todfeinde des Islamischen Staates", sagt der Spielhallenbetreiber. Vor Kurzem sei ein Mann in seine Spielhalle gekommen und habe eine Patronenhülse auf seinen Tresen gelegt. "So etwas ist eine deutliche Warnung", sagt Ercan D.

Großeinsatz der Polizei

Wie angespannt die Lage in dem Viertel in Rheinhausen ist, zeigt der Großeinsatz der Polizei am Montagmorgen, der aber eigentlich gar nichts mit dem Konflikt zu tun hat. Ein 45 Jahre alter Türke hatte vor einem Wettbüro, das einem Kurden gehört, einen Gegenstand abgelegt. Der Mann war kurz zuvor von der Polizei festgenommen worden, weil er mit einer Machete in kurdischen Geschäften herumgefuchtelt hatte. In seiner Vernehmung erzählte er den Beamten dann von dem Päckchen, das er vor dem "Sportcafé" platziert hatte, und er sagte den Polizisten: "Ihr werdet schon sehen, was passiert."

Die Polizei nahm die Drohung ernst, fand vor dem Eingang des besagten Geschäfts dann eine Art Karton, der mit einem Tuch umwickelt war und unter dem Nägel lagen. Die Straße wurde weiträumig abgesperrt. Bombenentschärfungsspezialisten des Landeskriminalamtes (LKA) aus Düsseldorf rückten an. Ein Roboter untersuchte den vermeintlichen Sprengsatz, der sich aber als Attrappe herausstellte.

Die Polizei sieht aber bislang keinen Zusammenhang zwischen dieser Tat und dem Anschlag auf den Sikh-Tempel beziehungsweise dem Umfeld des Predigers. "Wir haben den Täter weiterhin in Gewahrsam und lassen ihn von einem Arzt untersuchen", sagte ein Polizeisprecher. "Wir können nicht sagen, ob er in dem Reisebüro verkehrt hat."

Bei dem Anschlag auf den Essener Sikh-Tempel waren durch eine Explosion vor kurzem drei Männer verletzt worden, einer von ihnen schwer. Den beiden festgenommenen 16 Jahre alten Hauptattentätern, die sich möglicherweise in Rheinhausen radikalisiert haben, werden deshalb Beteiligung an einem versuchten Mord sowie Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion vorgeworfen. Sie sollen den Sprengsatz im Eingangsbereich des Essener Zentrums der Religionsgemeinschaft abgelegt haben.

16-Jähriger aus Schermbeck festgenommen

In dem Zusammenhang nahmen die Ermittler vor wenigen Tagen auch einen 16-Jährigen aus Schermbeck im Kreis Wesel fest. Der Staatsschutz hatte ihn schon länger im Visier, weil Erkenntnisse vorlagen, dass er sich einer terroristischen Vereinigung anschließen wolle. Deshalb hatte man ihm schon seinen Reisepass entzogen und gegen ein Dokument getauscht, mit dem er nur innerhalb Europas reisen darf.

Der Jugendliche wohnte bis 2013 mit seiner Familie in Dinslaken, also genau dort, wo sich mit der "Lohberger Brigade" die bislang größte bekannte "Terrorzelle" in Deutschland gebildet hatte. Mitglieder dieser radikalen Gruppierung, die es mittlerweile nicht mehr gibt, schlossen sich dem Islamischen Staat in Syrien an. Viele von ihnen kamen dabei ums Leben; einige wie Nils D. kehrten aber nach NRW zurück und sitzen nun im Gefängnis.

Ercan D. befürchtet, dass sich in Duisburg-Rheinhausen nun auch so eine Zelle wie in Dinslaken-Lohberg gründen könnte. Die Jugendlichen hier, sagt er, lungerten auf der Straße herum, seien perspektivlos und damit anfällig für die Hasspredigten des IS. "Davor haben wir Angst."

(csh)
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