Besuch der Kanzlerin Angela Merkel sagt Marxloh Hilfe zu

Duisburg · 54 Bürger aus Marxloh diskutierten gestern mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im "Hotel Montan". Im Mittelpunkt stand das Thema Zuwanderung. Vor allem um Bildung und Sicherheit ging es den lokalen Akteuren.

Duisburg-Marxloh: Angela Merkel sagt Hilfe zu
Foto: dpa, RP/Ferl

Heinz-Josef May wusste nicht, ob es wirklich so weit kommen würde. Aber um 14.16 Uhr hatte er dann plötzlich seinen "großen Auftritt": Er durfte Bundeskanzlerin Angela Merkel während des Bürgerdialogs "Gut leben in Deutschland" im "Hotel Montan" persönlich den offenen Brief in den Hand drücken, den wenige Tage zuvor eine Hand voll Marxloher verfasst hatten und den seitdem mehr als 200 Bürger aus dem Stadtteil unterschrieben haben. Die Menschen beschweren sich darin über unzumutbare Zustände im Stadtteil, über Müll, Lärm und ihre Angst davor, nachts auf die Straße zu gehen (RP berichtete).

"So, wie es derzeit läuft, kann es nicht funktionieren. So entsteht Hass. Es ist wichtig, dass da ein Ausgleich geschaffen wird", sagte May der Kanzlerin. Er selbst sei vor 13 Jahren nach Marxloh gezogen, "weil es ein bunter Stadtteil war". Er lebe dort eigentlich gerne, habe sich eine eigene Firma aufgebaut. "Aber vieles hat sich geändert", so der 59-Jährige. "Jetzt sagen sogar schon viele Türken, dass sie dort wegziehen wollen. Das kann doch nicht sein." Der Wortbeitrag eines Geschäftsmanns ging in die gleiche Richtung: "Wir fühlen uns von den Zuwanderern belästigt", sagte er. "Das ist ein riesen Problem." Ein Diskussionsteilnehmer schob hinterher: "Polizisten und Feuerwehrleute werden im Einsatz verletzt. Das ist ein Trend, der uns sehr beunruhigt."

Aussagen beim Bürgerdialog in Marxloh
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Aussagen beim Bürgerdialog in Marxloh

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Kanzlerin Merkel sagte dazu: "Das kann man gar nicht ernst genug nehmen." Es sei frustrierend, dass es Gruppen von Menschen gebe, die meinten, dass sie sich nicht an Gesetze halten müssten. "Aber jedes Land hat seine Regeln, an die man sich halten muss. Und das müssen diese Menschen auch lernen und darüber muss man auch mit ihnen reden dürfen. Toleranz ist nicht zu verwechseln mit Regellosigkeit", betonte sie. Und deshalb sei es auch sehr wichtig, dass das Land NRW für den Duisburger Norden zusätzliche Polizeikräfte zur Verfügung gestellt habe.

Auch das Thema "Problemhäuser" kam zur Sprache. Meist arme Zuwanderer aus Südost-Europa lebten dort unter unwürdigen Bedingungen. Was sie dagegen zu tun gedenke, wollte ein Diskussionsteilnehmer von der Interessengemeinschaft Kreuzeskirchviertel von Merkel wissen. Ein Ansatz könne sein, Druck auf die Vermieter überbelegter und vermüllter Häuser auszuüben und sie besser über die Hintermänner der Immobiliengeschäfte und Schlepperbanden aufzuklären, schlug sie vor. "Menschen werden praktisch wie Ware behandelt und ausgebeutet." Die Frage sei: "Was können wir tun, um den Leuten das Geschäftsmodell zu zerstören?" Die Bundesregierung werde prüfen, ob es Gesetzeslücken gebe, versprach Merkel.

Das Thema Flüchtlinge und Asylbewerber brachte ein Sozialarbeiter des Vereins Zof auf den Tisch: "Das beschäftigt uns auf allen Ebenen", sagte Merkel. Es sei unbedingt notwendig, das Planungsrecht zu ändern, so dass Unterkünfte schneller bereitgestellt werden könnten. Aufnahmeanträge müssten schneller bearbeitet und diejenigen, die in ihren Heimatländern nicht verfolgt werden, zurückgeschickt werden. Asylbewerber, die tatsächlich aus Kriegsgebieten kämen und Hilfe bräuchten, müssten "fairer in Europa verteilt werden".

Unter den Nägeln brannte den Akteuren aus Marxloh auch das Thema Bildung. Ein Vertreter der Alevitischen Gemeinde sagte: "Eine Schule in Marxloh kann nicht die gleiche Zahl von Lehrern wie eine Schule in einem Düsseldorfer Nobelviertel haben. Wir haben größere Probleme, und deshalb brauchen wir auch eine bessere finanzielle Ausstattung." Das sei richtig, sagte Merkel. Ein Weg könne sein, noch mehr Sozialarbeiter an die Schulen problembehafteter Stadtteile zu bringen. Und es müsse dort noch mehr Menschen mit Migrationshintergrund geben, die sich einbringen. "Weil sie die Menschen dort viel besser verstehen und ein Vorbild für sie sein können."

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Wiederholt wurde das Thema Bürokratie angesprochen. Es gebe Dutzende Fördertöpfe, die für Stadtteilprojekte, etwa zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit, angezapft werden könnten. "Wir jonglieren täglich damit. Aber das ist wenig übersichtlich, oft unverständlich, die Antragstellung ist verwirrend", sagte ein Vertreter der Duisburger Werkkiste. Stadtteilmanagerin Edeltraud Klabuhn forderte, "die Förderwege" zu erleichtern, weil der Verwaltungsaufwand kaum zu stemmen sei. Merkel zeigte sich hier sehr verbindlich und versprach Hilfe: "Sagen Sie, wo es hakt, nennen Sie uns Beispiele, wo es schief läuft", sagte sie. Die Regierung werde helfen.

Am Ende schlug die Kanzlerin vor, eine Arbeitsgruppe zu gründen, die sich noch in diesem Jahr erstmals treffen soll. Vertreter der Kommune, des Landes sowie verschiedener Bundesministerien sollen darin zusammenkommen und mit den Vertretern aus Marxloh, die gestern am Bürgerdialog teilnahmen, weiter über die Probleme im Stadtteil diskutieren und gemeinsam Lösungen finden.

(skai)
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