Massenschlägerei knapp verhindert Duisburg-Hamborn ist ein Stadtteil im Niedergang

Zwei Nächte, zwei Massenschlägereien: Duisburg-Hamborn gerät offenbar zusehends ins Visier türkischer und libanesischer Familienbanden, die im Norden der Stadt ihre Reviere abstecken. Die Anwohner haben Angst, werfen der Stadt Versagen vor.

Am Hamborner Altmarkt parken am Mittwochmorgen zig Autos auf dem großen Platz, der einst im Zentrum eines florierenden Einzelhandels lag. Die Geschäfte haben geöffnet und die Hamborner tragen bunte Tüten mit Einkäufen von A nach B. Es ist ruhig, beinahe überraschend ruhig, wenn man bedenkt, zu welch chaotischen Szenen es hier knapp zwölf Stunden zuvor gekommen ist.

Rund 60 mit Baseballschlägern, Macheten und Messern bewaffnete Männer hatten einen Großeinsatz der Polizei ausgelöst — den zweiten innerhalb von zwei Nächten. Die Polizei musste mit Kräften der Hundertschaft anrücken, um zwei rivalisierende Gruppen davon abzuhalten, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen.

Die Hintergründe der Vorfälle liegen im Dunkeln. Zur Zeit ist nicht einmal klar, welche Gruppen für die Massenschlägerei verantwortlich waren. Laut Polizei sollen unter anderem Libanesen, Türken und Deutsche an dem Chaos beteiligt gewesen sein. Bereits am Montagabend war es an gleicher Stelle zu einem ähnlichen Vorfall gekommen.

Hamborn, früher stolzes Zentrum des Duisburger Nordens und bekannt für seine Abtei, ist ein Stadtteil im Niedergang. Die Prämonstratenser-Mönche würden ihr Kloster hier heute sicherlich nicht mehr bauen. Wie fast überall im Duisburger Norden, in dem knapp die Hälfte der Duisburger lebt, wurde auch unter diesem Stadtteil einst Kohle abgebaut und in den Stahlwerken nebenan verarbeitet.

Wo die Menschen schufteten, da wohnten sie auch. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhundert schossen so genannte Kolonien wie Pilze aus dem Boden, Werkssieldungen für hunderte von Menschen, die überwiegend aus den östlichen Nachbarländern Deutschlands kamen, katholisch waren, die gesellschaftlichen Normen und Regeln ihrer neuen Heimat anerkannten und sich schnell integrierten.

Wie das unmittelbar angrenzende Marxloh profitierte auch Hamborn davon, dass dort viel Geld verdient und auch wieder ausgegeben wurde. Beide Stadtteile waren reich, reicher als das südlich der Ruhr gelegene Duisburg.

Heute ist von diesem Reichtum kaum noch etwas übrig. Im Stadtteil geht die Angst um. Nach den Vorfällen der zurückliegenden Nächte ist kaum jemand dazu bereit, offen zu sprechen. Zu groß ist die Furcht vor möglicher Rache. "Der Stadtteil ist total heruntergewirtschaftet", sagt eine Frau, die früher ein Geschäft am Altmarkt betrieb, nun aber aus Angst vor möglichen Konsequenzen anonym bleiben möchte. "Die Stadt hat hier total versagt. Polizei und Ordnungsamt sind völlig hilflos. Ich habe mittlerweile Angst davor, abends noch auf die Straße zu gehen."

Die Niedergang Hamborns begann mit der Schließung der großen Zechen. Die Stahlindustrie verkleinerte ihre Belegschaften. Spätestens Mitte der 1970er/Anfang der 1980er-Jahre war die strukturelle Schieflage nicht mehr zu übersehen.

Die seit den 1950er-Jahren überwiegend aus der Türkei eingereisten Gastarbeiter waren nicht das Problem, sie hatten sich mehr und minder eingefügt. Aber für ihre Kinder und Enkel, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, von Hartz IV oder Sozialhilfe leben, führt der Weg aus der Aussichtslosigkeit viel zu oft in die Kriminalität.

Die Arbeitslosenquote im Stadtbezirk Hamborn, zu dem Alt-Hamborn ebenso gehört wie Marxloh und weitere Stadtteile, liegt bei 15 Prozent und damit deutlich höher als in der Gesamtstadt (rund elf Prozent). In beiden Wohnbezirken ist der Ausländeranteil überdurchschnittlich hoch und die Bildungsquote unterdurchschnittlich niedrig.

Diese Entwicklungen hat auch Michael Feller erkannt, der am Altmarkt ein Modegeschäft betreibt und in der Nähe lebt. Die Vorfälle der vergangenen Nächte hätten aber eine besondere Dimension gehabt. "Ich lebe nun seit 53 Jahren in Hamborn, so etwas habe ich noch nie erlebt", sagt er.

Natürlich habe Hamborn auch Schwierigkeiten. "Bislang hatte ich aber den Eindruck, dass es hier nicht so große Probleme mit kriminellen Banden gibt wie in Marxloh." Bislang habe er sich in seinem Stadtteil eigentlich sicher gefühlt. "Ich hoffe, dass das jetzt nicht zu uns rüberschwappt."

Revierkampf zwischen libanesischen und türkischen Clans

Mit dem Zuzug von libanesischen Großfamilien ist im Stadtnorden ein Revierkampf mit türkischen Kriminellen entbrannt, in dem es um die Vormacht im Drogengeschäft, bei der Prostitution, im Glücksspiel und bei Waffengeschäften geht.

Michael Fellner betreibt ein Modegeschäft in Duisburg-Hamborn.

Michael Fellner betreibt ein Modegeschäft in Duisburg-Hamborn.

Foto: Tim Harpers

Hier lässt sich sehr viel Geld verdienen, auf das die gegenüber der Polizei stets verschwiegenen Akteure der beiden Lager nicht freiwillig verzichten, sondern mit Gewalt kämpfen — so wie möglicherweise am Dienstag und am Mittwochabend.

(th)
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