Duisburg Drei Familienclans kontrollieren Marxloh

Duisburg · Die meisten Mitglieder der kriminellen Großfamilien im Duisburger Stadtteil sind jung und vorbestraft. Ein geheimes Polizei-Papier belegt, wie sie sich in dem Viertel verhalten und welchen kriminellen Geschäften sie nachgehen.

Nachts unterwegs in Duisburg-Marxloh
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Foto: Christoph Reichwein

Der Problemstadtteil Duisburg-Marxloh wird derzeit von drei libanesischen Großfamilien kontrolliert, die abhängig vom Anlass gegen oder miteinander agieren. Hinzu kommen kleinere kriminelle Gruppen, die mit Drogen handeln, und Personen, die der Rockerbande Hells Angels nahe stehen. Das geht aus einem streng geheimen Lagebild der Polizei über die Kriminalitätsstrukturen in der sogenannten No-Go-Area Marxloh hervor, das unserer Redaktion vorliegt.

Der 21 Seiten starke "Erfahrungsbericht Nord" des Polizeipräsidiums Duisburg gewährt erstmals Einblicke in die Welt der Organisierten Kriminalität in Marxloh und in die Clanstrukturen der kriminellen Großfamilien. Polizeiintern werden die Banden auch als "Street Corner Society" bezeichnet, weil sie sich oft in großen Gruppen auf den Straßen zeigen, um ihre Stärke zu demonstrieren. Nirgends in NRW ist diese "Kriminalitäts-Kultur" derzeit so stark ausgeprägt wie in Marxloh. Diese Großfamilien erkennen die Polizei als Autorität nicht an, heißt es in dem Lagebericht.

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Foto: dpa, rwe mg

Um die Clans besser zu verstehen, haben die Ermittler ein Profil der Mitglieder angelegt. Sie sind demnach ausschließlich männlich, jung, die meisten zwischen 1990 und 1998 geboren, fast alle sind schon einmal bei der Polizei in Erscheinung getreten - meist wegen Raub, Diebstahl und Körperverletzung.

Der Y.S.-Clan ist aktuell der größte in Marxloh. Y. und S. sind die Abkürzungen der beiden Namen der Familien, die den Clan kontrollieren. Wie viele Mitglieder er hat, wissen die Ermittler nicht. Bei der Polizei sind aber 35 Männer der Gruppe, die schon Haftstrafen verbüßt haben, aktenkundig unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, schweren Raubes und Totschlags. Beteiligt sind sie auch an Schutzgelderpressungen. Sie sind dem Bericht zufolge zum Großteil libanesische Staatsbürger, es gibt auch einige türkische Mitglieder. Die Gruppierung war auch für die gewalttätige Auseinandersetzung am 24. Juni im Zusammenhang mit Dreharbeiten in Marxloh verantwortlich. Einsatzhundertschaft und Spezialeinheiten konnten die Mitglieder in den folgenden Wochen aus der Öffentlichkeit verdrängen. "Die Personen zogen sich immer stärker zurück und änderten ihre Aufenthaltsorte und Verhaltensweisen dann deutlich", heißt es in dem Bericht. Doch diese Zeit scheint wieder vorbei zu sein. Die Polizei beobachtet, wie sich der Clan wieder stärker ausbreitet.

Der K.S.-Clan rangiert in Marxloh an zweiter Stelle. Der Polizei sind 13 Mitglieder wegen Straftaten bekannt. Diese Gruppierung arbeitet eng, aber nicht uneingeschränkt mit dem "Y.S.-Clan" zusammen. Ihre Verhaltensweisen seien aber nahezu identisch.

Der C.-Clan ist die dritte und kleinste kriminelle Marxloher Großfamilie und wird von Zwillingsbrüdern geführt. Drei Mitglieder sind aktenkundig. Die Gruppe hält sich aktuell aus den "Geschäften" zurück. Aber trotzdem sei der Clan nach wie vor existent und intensiv am Drogenhandel beteiligt. Die Zwillingsbrüder distanzieren sich aber von den beiden bereits genannten Großfamilien.

Das Auftreten der Clans in der Öffentlichkeit hängt stark von der Personenzahl ab, in der sie auf der Straße unterwegs sind. Je größer die Gruppe ist, umso unangepasster wird das Verhalten. Auch die Zahl der Polizisten, auf die die Clanmitglieder treffen, spielt eine entscheidende Rolle. Zum Beispiel wird einer Fußstreife mit nur zwei Beamten aggressiver gegenübergetreten als einer Streife mit vier Polizisten. Generell unterscheiden die Clans zwischen Streifenbeamten und den Einsatztrupps der Polizei. Letztere nennen sie die "Strengen" und die "Unentspannten". Durch die starke Präsenz der Polizei durch spezielle Einsatztrupps hat sich auch das Verhalten der Kriminellen in Marxloh verändert. So tragen sie ihre Waffen offenbar nicht mehr direkt mit sich, sondern deponieren sie in der Nähe ihrer Aufenthaltsorte, so dass sie bei den Polizeikontrollen nicht damit erwischt werden. Zudem habe sich ihre Bereitschaft zur Flucht vor der Polizei in den vergangenen Monaten noch einmal deutlich erhöht.

(RP)
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