Duisburg Die Lehmbruck-Sammlung in Duisburg

Duisburg · "Wilhelm Lehmbrucks Werk ist der bedeutungsvollste Beitrag Duisburgs zur neueren Kunstgeschichte", hieß es bereits 1925. Es dauerte noch fast 40 Jahre, bis das Lehmbruck-Museum mit den Werken seines Namengebers eröffnet wurde.

 Selbstbildnis Wilhelm Lehmbrucks, entstanden im Jahr 1912.

Selbstbildnis Wilhelm Lehmbrucks, entstanden im Jahr 1912.

Foto: Lehmbruck-Museum

Die Idee, in Duisburg ein Museum zu gründen, das Wilhelm Lehmbruck (1881-1919) als berühmtestem Künstler der Stadt gewidmet ist, entstand bereits wenige Jahre nach Lehmbrucks Tod. 1925 erklärte der Gründungsdirektor des Duisburger Kunstmuseums, Dr. August Hoff: "Wilhelm Lehmbrucks Werk ist der bedeutungsvollste Beitrag Duisburgs zur neueren Kunstgeschichte; es ist die heilige Pflicht seiner Vaterstadt, seine Schöpfungen zu sammeln und zu würdigen." Auch Anita Lehmbruck, die Witwe des Bildhauers, und dessen einstiger Förderer und Sammler Paul Westheim engagierten sich dafür.

Knapp vierzig Jahre später wurde diese Idee realisiert: Am 5. Juni 1964 wurde das Wilhelm-Lehmbruck-Museum in Duisburg feierlich eröffnet. Heute besitzt das Museum aufgrund seiner Lehmbruck-Sammlung und, daran anknüpfend, derjenigen der modernen und zeitgenössischen Skulptur internationalen Rang. Zu Lehmbrucks Lebzeiten erwarb die Stadt Duisburg allerdings nur ein einziges Werk. 1912 stiftete Adeline Böninger (geb. Haniel) den Kaufpreis für eine Marmorversion der Großen Stehenden (1910), mit der Lehmbruck in Paris reüssiert hatte. Diese Skulptur galt in Duisburg schon damals als "Ausgangspunkt" für eine Lehmbruck-Sammlung.

Die zweite Arbeit erwarb die Stadt erst zehn Jahre später, nach Lehmbrucks Freitod am 25. März 1919 und nach dem Ende des Ersten Weltkriegs (Unterzeichnung des Versailler Vertrags am 28. Juni 1919). Es handelte sich um die Bronze des Sitzenden Jünglings (1916-17), die noch im gleichen Jahr auf dem Duisburger Ehrenfriedhof am Kaiserberg aufgestellt wurde.

Im Kontext der ersten Lehmbruck-Ausstellung in Duisburg, die August Hoff 1925 in Duisburg organisierte, erwarb die Stadt schließlich das dritte Hauptwerk: eine Bronzeversion der berühmten Knienden (1911). Im Folgejahr gelang es der Stadt, Lehmbrucks Frühwerk als Konvolut von dem Düsseldorfer Sammler Carl Nolden zu erwerben.

Die Nazizeit markierte sammlungsgeschichtlich eine deutliche Zäsur. 1937 stand Lehmbrucks Kniende im Zentrum der Münchener Schau "Entartete Kunst", und seine Arbeiten wurden aus den deutschen Museen entfernt und zum Teil zerstört - auch Arbeiten aus der Duisburger Sammlung. Über den Jahreswechsel 1955/1956 konnte Dr. Gerhard Händler (Museumsdirektor von 1954 bis 1970) die erste Nachkriegsausstellung von Lehmbruck in Duisburg organisieren. Vermutlich ist es diese Retrospektive gewesen, die den entscheidenden Anstoß zum Bau des heutigen Lehmbruck Museums gegeben hat. Denn nur zwei Monate nach dem Ende der Ausstellung beschloss der Kulturausschuss der Stadt den Bau (23. April 1956). Dr. Manfred Lehmbruck (1913-1992), der zweitgeborene Sohn des großen Bildhauers, erhielt den Auftrag mit der Vorgabe, in dem zweiteiligen Gebäude einen Abschnitt ausschließlich für die Präsentation des Lebenswerkes seines Vaters einzuplanen. Damit waren die Voraussetzungen erfüllt, dass der Lehmbruck-Nachlass geschlossen nach Duisburg zurückkehren konnte. In den 1970er Jahren konnte Dr. Siegfried Salzmann (Museumsdirektor von 1971 bis 1984) die Duisburger Sammlung um die noch fehlenden überlieferten Großplastiken Lehmbrucks ergänzen: 1971 erwarb das Lehmbruck-Museum den Gips des Gestürzten (1915), 1974 den Gips der Großen Sinnenden (1913), und 1978 schließlich die Bronze des Emporsteigenden Jünglings (1913).

Noch gehörte der größte Teil des Lehmbruck-Nachlasses aber der Familie Lehmbruck. Im Jahr 2008 konnte Prof. Dr. Christoph Brockhaus (Museumsdirektor von 1985 bis 2010), nahezu das Gesamtwerk von Wilhelm Lehmbruck für das Duisburger Museum sichern. Die schon bestehende Sammlung wurde durch den Ankauf von weiteren 1141 Kunstwerken mithilfe der Stadt Duisburg, der Duisburger Wirtschaft und der Bundesrepublik Deutschland vervollständigt. Damit war das Ziel verwirklicht, das Gründungsdirektor Hoff gemeinsam mit der Witwe des Bildhauers sowie seinen Förderern schon in den 1920er Jahren angestrebt hatten. Heute ist das Lehmbruck Museum einer der kulturellen Hauptanziehungspunkte der Stadt.

Seit dem 50jährigen Museumsjubiläums werden Wilhelm Lehmbrucks Werke im sogenannten Lehmbruck-Trakt so präsentiert, wie Manfred Lehmbruck sie 1964 platziert hatte. Dass diese Aufstellung als dauerhafte Präsentation der Lehmbruck-Werke vorgesehen war, zeigt das einzigartige, harmonische Zusammenspiel von der Architektur mit den Kunstwerken: Oberlichter geben den Stadtplatz für Großplastiken vor, die avantgardistischen Materialien des Bildhauers - Beton, Marmor und Metall - finden sich auch in der Architektur wieder, und sowohl inhaltlich als formal eröffnen sich in der Werkaufstellung Sichtachsen über die architektonischen Ebenen hinweg, die Manfred Lehmbrucks Architektur mit Wilhelm Lehmbrucks Werken ebenso elegant wie komplex vernetzen.

Dr. Marion Bornscheuer ist Kustodin im Lehmbruck-Museum.

(RP)
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