Duisburg Der Wal und der Fluss und vieles mehr

Duisburg · Für die Duisburger Akzente wurden die Räume der Christengemeinde in Ruhrort in eine Kneipe zurück-verwandelt und zum Festivalzentrum. Das wurde am Samstag mit einer musikalischen Lesung eröffnet. Rufus Beck rezitierte exzellent.

 Rufus Beck, Tom Liwa, Saskia Lippold als Mitautorin und Giuseppe Mautone (v.l.) sorgten für einen gelungen Auftakt im neu geschaffenen "Heimathafen-Festivalzentrum".

Rufus Beck, Tom Liwa, Saskia Lippold als Mitautorin und Giuseppe Mautone (v.l.) sorgten für einen gelungen Auftakt im neu geschaffenen "Heimathafen-Festivalzentrum".

Foto: andreas probst

Die Geschichte ist schön und musste einfach mal erzählt werden: Am 18. Mai 1966 meldeten einige Schiffer der Wasserschutzpolizei in Duisburg, sie hätten einen Weißen Wal im Rhein gesehen. Die Beamten reagierten prompt: Sie ordneten bei den Schiffern einen Blutalkohol-Test an. Doch die Rheinschiffer waren nicht betrunken. Den Weißen Wal gab es wirklich. Er hatte sich, Hunderte Kilometer vom Meer und Tausende Kilometer von seinen heimischen arktischen Gewässern entfernt, im Rhein verirrt. Einen Monat lang beherrschte "Moby Dick" die Schlagzeilen, nicht zuletzt dank der vergeblichen Einfangversuche des damals neuen Duisburger Zoodirektors Dr. Wolfgang Gewalt. Mitte Juni 1966, so die für viele Tierschützer frohe Nachricht, entwischte der Beluga-Wal über Hoek van Holland wieder ins offene Meer.

Es war eine tolle Idee, mit dieser wahren Geschichte das Festivalzentrum der Duisburger Akzente am Samstagabend zu eröffnen. Wie berichtet, wurden dazu die Räumlichkeiten der Christengemeinde in Ruhrort in die einstige Hafenkneipe zurück-verwandelt. Mit Rufus Beck hatte man einen bekannten Schauspieler und überragend guten Sprecher gewinnen können.

Musikalisch begleitet wurde Rufus Beck von Tom Liwa und Giuseppe Mautone. Der in Duisburg wohl bekannte Tom Liwa war nicht nur als Musiker an der ausverkauften Veranstaltung beteiligt, sondern auch als Autor: Zusammen mit Saskia Lippold schrieb er den Text, den Rufus Beck glänzend präsentierte.

Einfach war die Rezitation dieser Texte nicht. Tom Liwa und Saskia Lippold schrieben die 50 Jahre alten Ereignisse vom Wal und den Menschen am Rhein nämlich nicht "geradeheraus" auf, sondern kleideten die realen Vorkommnisse poetisch-philosophisch und zum Teil grotesk-surreal ein. Rufus Beck gelang es aber, die Fäden sprachlich zusammenzuhalten, was besonders dann eine Herausforderung war, wenn Beck aus der Perspektive von Moby Dick die Welt zu betrachten hatte.

Schön war der Ansatz, die Begegnung von Wal und Mensch aus dem Blickwinkel eines Jungen namens Gerd zu erzählen, der mit seinen Eltern Margot und Günter eine typische Duisburger Kleinfamilie Mitte der 60er Jahre repräsentierte. Gerd ist in Sport schlecht, leidet unter seinem Sportlehrer, der seinen Schülern Härte vermitteln will, die er selber in seiner Jugendzeit (=Nazizeit) erlernt hatte. Über Gerd und seine Eltern wird nicht nur die Geschichte vom Wal und dem Rhein, sondern auch viel von der damaligen Zeit in Duisburg vermittelt. Zur Sprache kommen beispielsweise die Rheinverschmutzung oder das sich verändernde Stadtbild. Vor 50 Jahren gab es beispielsweise noch den Gläsernen Hut, eine einst beliebte Gaststätte in Bahnhofsnähe. Besonders schön erzählen Tom Liwa und Saskia Lippold von Menschen, die damals auf Brücken standen und "Moby Dick" etwas Gutes tun wollten, in dem sie Butterbrote, Äpfel und Schokolade in den Rhein warfen (was natürlich Unsinn war). Ein kleines Mädchen fordert Gerd auf, Fangen zu spielen: "Ich bin Moby Dick und du bist Dr. Gewalt."

Das alles kostete Rufus Beck bei seiner Lesung pointensicher aus. Auch die etwas raunenden Passagen, bei denen beispielsweise ein Hopi-Indianer das von Moby Dick initiierte neue Naturverständnis symbolisiert, meisterte Beck.

Die Begleitung von Tom Liwa und Giuseppe Mautone war überaus gelungen, weil sie mehr als eine Untermalung war, sondern eine musikalische Akzentsetzung, einschließlich stimmungsvoller Wal-Gesänge. Als Zugabe gab es einen Song von Tom Liwa ("Wovor hat die Welt am meisten Angst?"), bei dem auch Rufus Beck zur Gitarre griff.

Viel Applaus für einen interessanten Abend an schöner Stätte.

(pk)
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