Duisburg Brücken für Flüchtlingskinder gesucht

Duisburg · Fachleute aus der Jugendhilfe beschäftigten bei einer Tagung in der Duisburger Christusgemeinde mit den Herausforderungen in der Betreuung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen.

 So kann Integration gelingen: Sozialpädagogin Denise Kriesten unterrichtet Flüchtlingskinder in Marxloh.

So kann Integration gelingen: Sozialpädagogin Denise Kriesten unterrichtet Flüchtlingskinder in Marxloh.

Foto: Christoph Reichwein

Deutliche Worte zur derzeitigen europäischen Flüchtlingspolitik fielen jetzt auf einer Tagung im Gemeindezentrum der Evangelischen Christuskirchengemeinde in Duisburg. Mehr als 100 Lehrkräfte und Fachleute aus der Jugendhilfe beschäftigten sich auf Einladung von vier evangelischen Trägern aus der Region mit den vielfältigen Herausforderungen in der Begleitung und Betreuung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen.

Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrates, stellte eine deutliche Verschlechterung der Lebenssituation von Flüchtlingen fest. Nach dem neuen Integrationsgesetz erteilten die deutschen Behörden Aufenthaltserlaubnisse nur noch dann, wenn die Flüchtlinge für ihren Lebensunterhalt weitgehend selbst aufkommen. Die Verfahren dauerten nach wie vor zu lange, der Rechtsweg sei erschwert. Prölß: "Die Staaten der EU müssen die Genfer Flüchtlingskonvention wieder beachten und sich an rechtsstaatlichen Prinzipien orientieren." Stattdessen habe sich die EU abgeschottet, eine Änderung dieser Politik sei nicht in Sicht. Sorge mache ihm, dass Fremdenfeindlichkeit nicht mehr nun in rechten Milieus zu finden sei, sondern auch in der bürgerlichen Mitte.

Viele Flüchtlinge, darunter auch Kinder und Jugendliche, litten unter traumatischen Erlebnissen während ihrer Flucht. "30 bis 50 Prozent haben schwere psychische Erkrankungen." Der Bedarf an Traumatherapien sei außerordentlich hoch, es gebe aber kein ausreichendes Angebot, zudem sei die Finanzierung unsicher, so Prößl.

Sengül Safarpour vom Kommunalen Integrationszentrum Krefeld rief die Teilnehmer der Tagung dazu auf, in örtlichen Willkommensinitiativen mitzuarbeiten. "Suchen Sie den persönlichen Kontakt, schließen Sie Freundschaften. Nur so werden Sie die Lebenssituation von Flüchtlingen verstehen." Über Ansätze zur Partizipation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen berichtete Alexia Schupp vom Neukirchener Erziehungsverein. Gemeinsam mit den Jugendlichen habe man in Köln an einem Projekt zu Rechten und Pflichten in Deutschland gearbeitet.

Um die Praxis in Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen ging es in verschiedenen Arbeitsgruppen der Duisburger Tagung. Deutlich wurde dabei, dass Schulen durchaus die Chance haben, Brücken für Flüchtlingskinder in die deutsche Gesellschaft zu sein. Am Engagement der Lehrerinnen und Lehrer fehle es jedenfalls nicht, auch fehlende Deutschkenntnisse seien nicht das Problem, weil die meisten jungen Flüchtlinge sehr schnell sprachfähig seien. Es fehle aber an personellen und finanziellen Ressourcen.

Zu Beginn der Tagung hatte Pfarrer Hans-Wilhelm Fricke-Hein, Direktor des Neukirchener Erziehungsverein, daran erinnert, dass die Bibel voller Wanderungsgeschichten ist, sie werde von Theologen sogar als ein Handbuch für Einwanderung angesehen, geschrieben von, für und über Einwanderer und Flüchtlinge. Fricke-Hein: "Die Begegnung mit dem Fremden ist nicht nur ein Geben, sondern auch ein Nehmen."

Der Fachtag war vom Evangelischen Schulreferat Duisburg/Niederrhein, der Pädagogische Akademie der Gesellschaft für Evangelische Erziehung und Bildung (GEE) aus Duisburg, dem Schulreferat des Evangelischen Kirchenkreises Krefeld-Viersen und dem Neukirchener Erziehungsverein organisiert worden. Der 1845 von Pfarrer Andreas Bräm gegründete Neukirchener Erziehungsverein gehört zu den größten deutschen Kinder- und Jugendhilfeträgern.

In zehn Bundesländern betreut er zusammen mit der Tochtergesellschaft Paul-Gerhardt-Werk rund 2500 junge Menschen - in stationären Einrichtungen, in Schulen und mit ambulanten Hilfeangeboten. Auch in der Alten- und Behindertenhilfe ist der Erziehungsverein in den vergangenen zwei Jahrzehnten verstärkt tätig geworden.

Rund 1800 Beschäftigte arbeiten insgesamt in den verschiedenen Bereichen des diakonischen Unternehmens. Ein Berufskolleg für angehende Erzieher gehört ebenso dazu wie eine Fortbildungsakademie. Seine Bekanntheit verdankt der Erziehungsverein auch seinen Verlagsaktivitäten, vor allem dem Neukirchener Kalender, dem wohl bekanntesten Andachts- und Meditationskalender im deutschen Sprachraum.

(RP)
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