Duisburg Boulez' "Répons" in der Kraftzentrale

Duisburg · Im Rahmen der Ruhrtriennale wurde das selten aufgeführte Meisterwerk zu Gehör gebracht.

 Die Ruhrtriennale brachte jetzt "Répons" in die riesige und zweimal gut gefüllte Kraftzentrale im Landschaftspark Nord.

Die Ruhrtriennale brachte jetzt "Répons" in die riesige und zweimal gut gefüllte Kraftzentrale im Landschaftspark Nord.

Foto: Wonge Bergmann/Ruhrtriennale

Als ein Meisterwerk des 20. Jahrhunderts gilt "Répons" von Pierre Boulez (1925-2016), uraufgeführt vor 35 Jahren in Donaueschingen und bis 1985 mehrfach erweitert. Es wird selten aufgeführt, weil dies sehr aufwendig ist. Man braucht einen sehr großen Raum, in dessen Mitte auf einem quadratischen Podium ein 24-köpfiges Orchester sitzt. In den vier Ecken und an zwei Längsseiten des Saales kommen dazu sechs Instrumental-Solisten, deren Klänge elektronisch verändert und im Raum verteilt werden.

Das avantgardistische Werk verankert sich mehrfach in der musikalischen Tradition: bei der "responsorialen" Gregorianik des Mittelalters mit Vorsänger und Chor; bei der venezianischen Mehrchörigkeit, vermittelt durch Igor Strawinsky; bei den Choralvorspielen eines Johann Sebastian Bach, in denen jede Einzelheit aus dem betreffenden Kirchenlied abgeleitet ist; bei der wogenden Wucht eines Richard Wagner; bei der Klangsinnlichkeit eines Claude Debussy.

Die Ruhrtriennale brachte jetzt "Répons" in die riesige und zweimal gut gefüllte Kraftzentrale im Landschaftspark Nord. Die Solisten Sébastien Vichard und Hidéki Nagano (beide Klavier, bei einem auch elektrische Orgel), Frédérique Cambreling (Harfe), Luigi Gaggero (Cimbalom, also ungarisches Hackbrett), Samuel Favre (Vibraphon) und Gilles Durot (Xylophon und Glockenspiel), das Pariser Ensemble intercontemporain unter seinem derzeitigen Leiter Matthias Pintscher, geboren vor 45 Jahren in Marl, und die Techniker des gleichfalls von Boulez gegründeten Pariser Elektronik-Instituts Ircam spielen diese anspruchsvolle Musik wie ihr täglich Brot.

An beiden Abenden wurde das 40-minütige Stück je zweimal aufgeführt. Es klingt nie zweimal gleich, auch weil der Computer schon auf kleinste Unterschiede reagiert. Und in der Kraftzentrale verschoben sich die Buchstaben-Bezeichnungen der Besucherblöcke in der Pause um eine Längsseite der Bühne, so dass wir zum Beispiel zuerst hinter dem Dirigenten und dann hinter dem Kontrabass saßen und so eine ganz neue Hörperspektive einnahmen.

Es gab viel Applaus für ein großartiges Erlebnis.

(hod)
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