Duisburg Betonkoloss als Kletterwand

Duisburg · Wo früher die Bevölkerung Unterschlupf fand, gehen heute sportlich Aktive ans Werk. Seit 2011 ist der Bunker an der Rudolf-Schock-Straße Sportstätte des Klettervereins Duisburg.

 Hoch hinaus: Der Kletterbunker an der Rudolf-Schock-Straße ist für Aktive eine echte Herausforderung.

Hoch hinaus: Der Kletterbunker an der Rudolf-Schock-Straße ist für Aktive eine echte Herausforderung.

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Ganz unscheinbar thront ein grauer Betonkoloss an der Rudolf-Schock-Straße im Stadtteil Mitte. Der 1943 erbaute Hochbunker ist ein Gebäude mit Geschichte: Im Zweiten Weltkrieg bot er - als Wohnhaus getarnt - den Bürgern Schutz vor den Bombardierungen der hiesigen Stahlindustrie. Nach Kriegsende beheimatete der graue Riese unzählige Großfamilien, die unter der Wohnungsarmut gelitten hatten.

Wo früher für den Schutz der Bevölkerung gesorgt wurde, muss heute jeder Schritt ganz genau überdacht werden. Denn seit 2011 ist der Bunker Sportstätte des Klettervereins Duisburg. "Mit seinen einen Meter dicken Wänden bietet das Gebäude exzellenten Halt für die Klettersportler", erklärt Frank Rüttger, der als Schatzmeister und Übungsleiter ehrenamtlich im Verein tätig ist.

Um diesen Ort mit besonderem Flair als Kletterareal nutzen zu können, seien zahlreiche Umbaumaßnahmen nötig gewesen: An Teilen der Außenfassade und im Innenbereich sind mehrere Tausend Klettersteine in verschiedensten Farben und Formen angebracht, die den Aufstieg auf das 16 Meter hohe Gebäude erleichtern sollen.

Direkt am Eingang erstreckt sich eine Naturwand, die aus Beton gegossen ist und echte Bergrouten simuliert. Dieser Teil des Bunkers ist im Jahr 2013 mit finanzieller Hilfe der Sportförderung der Sparkasse Duisburg entstanden und leistet dem Hochbunker ein Alleinstellungsmerkmal in der Region. "Solch eine Naturwand hat sonst kaum ein Kletterpark, sie ist ein echter Hingucker", sagt Rüttger, der sich in seiner Freizeit selbst gerne an den Mauern des Bunkers hoch hangelt.

Auch die neueste Errungenschaft des Klettervereins innerhalb dieser Anlage macht den Bunker als Klettergelegenheit noch ein Stück interessanter. Seit November letzten Jahres arbeitete eine Firma aus Essen an der Montage eines Klettersteigs, der die Nord-Westwand des Hochbaus schmückt. Über viele Monate wurde am Computer geplant und getüftelt. Zudem musste auch darauf geachtet werden, dass der Bunker bei dem Bau des Steigs nicht beschädigt wird, zum Beispiel an den Lüftungsrohren. Die Firma, die eigentlich Spielplätze plant und zusammenbaut, setzte auch bei der Entwicklung des Kletterstegs auf ein besonderes Holz: Rubinienholz ist extrem wetterfest und sorgt dafür, dass der Steig nicht der Natur zum Opfer fällt.

Unterschiedliche Elemente zieren den Steig: Manche sind aus Metall, an manchen Stellen müssen Leitern benutzt werden, um den Weg nach oben zu finden. Der schwierigste Teil bestünde aber aus Schlaufen aus Stahlseilen, wie Rüttger versichert. "Dort ist es echt schwer hochzukommen, vor allem für Anfänger", sagt der 52-Jährige, der hauptberuflich im Sozialamt arbeitet.

Um nach ganz oben zu gelangen, braucht es eine spezielle Ausrüstung, die der Verein zur Verfügung stellt. Der Klettersteig ist so konzipiert, dass sich der Kletterer mit einem Bauchgurt und zwei Karabinern selbst sichert. Das sorgt für ein besseres Klettergefühl, wobei die Sicherheit immer noch gewährleistet ist.

Die offizielle Einweihung des eigenfinanzierten Steiges wurde am 30. April gefeiert. Im Rahmen dieser kleinen Feierlichkeit gab es nicht nur kostenlose Verpflegung, sondern auch Klettervergnügen - Interessierte konnten an diesem Tag den neuen Klettersteig ausprobieren. Trotz schlechten Wetters sei die neue Attraktion gut angenommen worden, die Resonanz durchweg positiv gewesen. Der Verein verfolgt mit dem Steig vor allem das Ziel, Schulklassen zu animieren, den Steig in Kleingruppen von fünf oder sechs Mann auszutesten. "Mehr Leute können nicht gleichzeitig den Steig betreten, aber für Schulkinder als Kletteranfänger ist es optimal", sagt Rüttger.

Ist der Weg nach oben erstmal geschafft, folgt eine besondere Belohnung für die mutigen Kletterer. Auf über 16 Metern ist die Aussicht vom ehemaligen Bunker phänomenal, die nahe Stahlindustrie kann so von einem ganz anderen Blickwinkel betrachtet werden. Nicht nur die Aussicht, auch die vielen verschiedenen Kletterdisziplinen, die am Bunker konzentriert sind, machen den Hochbau einzigartig. "In diesem Schmuckstück ist wirklich für jeden was dabei", erzählt Rüttger, "zudem kann hier extrem kostengünstig geklettert werden."

Neben den zahlreichen Kletteraktivitäten bietet der Verein auch Kurse und Events an. In Kletter- beziehungsweise Sicherungskursen lernen die Teilnehmer alles über das sichere Klettern, zum Beispiel Knotenkunde oder die verschiedenen Sicherungsgeräte. In neun Stunden geben die erfahrenen Übungsleiter auch etliche Tipps weiter.

"Die meisten Leute denken ja, dass Klettern viel aus den Armen kommt. Tatsächlich aber kommt die größte Kraft aus den Beinen", erklärt Rüttger. Auch lernen die Kursbesucher, die Kletterrouten richtig zu lesen, um den schnellsten und sichersten Weg zum Gipfel zu wählen. Der Verein organisiert in den Monaten von Mai bis Oktober auch ein soziales Projekt: Der "Offene Klettertreff", bei dem Kinder mit Migrationshintergrund umsonst das Klettern ausprobieren können, findet jeden Mittwoch statt.

All die Bemühungen und Umbaumaßnahmen tragen Früchte. Mittlerweile zählt der Verein 300 Mitglieder. Zudem kommen zahlreiche Tagesgäste aus allen Regionen Deutschlands, wie etwa dem Westerwald oder Bayern. "Das zeigt uns, wie interessant unser Angebot ist", sagt Rüttger.

(RP)
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