Duisburg Arthur Millers Konsum- und Kommunikationskatastrophe

Duisburg · Das Schauspiel Dortmund gastierte jetzt im gut besuchten Stadttheater mit dem modernen Klassiker "Tod eines Handlungsreisenden".

 Szene aus dem Dortmunder Gastspiel mit Andreas Beck als Willy (re.) und Sebastian Graf als Sohn Biff.

Szene aus dem Dortmunder Gastspiel mit Andreas Beck als Willy (re.) und Sebastian Graf als Sohn Biff.

Foto: birgit hupfeld

"Tod eines Handlungsreisenden" ("Death of a Salesman", 1949) ist das bekannteste und wichtigste Stück des vor 100 Jahren geborenen amerikanischen Autors Arthur Miller (1915-2005). Es schildert die beiden letzten Lebenstage des Handlungsreisenden Willy Loman, Mit 63 Jahren fühlt er sich als Versager: Mit den zeitbedingten Veränderungen in seinem Kundenkreis und seiner Familie konnte er nicht Schritt halten. Sein Haus, seine Möbel und sein Auto hat er auf Raten gekauft, nun wird er von seiner Firma entlassen. In Rückblenden werden Lomans Leben und seine Hoffnungen lebendig. Er ist ein im Grunde integrer Mensch, der Opfer seines festen Glaubens an kapitalistische Erfolgsträume und das postindustrielle Dienstleistungsethos wird. Zugleich gehört er selbst zu den Ausgebeuteten, die sich einem Wirtschaftssystem verschrieben haben, das sie zum alten Eisen wirft, sobald sie keinen Nutzen mehr bringen. Seine Söhne erzog er zu "Beliebtheit" statt zu Lernen und Fleiß, wodurch sie es letztlich zu wenig gebracht haben. Als der alte Loman - moralisch gescheitert - nicht mehr weiter weiß, begeht er Selbstmord, indem er einen Autounfall fingiert, um seiner Familie durch die Lebensversicherungssumme einen finanziellen Neuanfang zu ermöglichen.

Jetzt gastierte das Schauspiel Dortmund mit seiner großartigen Produktion des "Handlungsreisenden" im gut gefüllten Duisburger Theater. Die Bühne von Guus van Geffen steht voll mit "Weißware" - im Hause Loman wurden ein paar Kühlschränke und Waschmaschinen zuviel angeschafft, zum Teil noch originalverpackt. Die Inszenierung von Liesbeth Coltof lässt die zahlreichen fließenden Übergänge ganz natürlich und zeitlos erscheinen. Vor allem arbeitet sie die Kommunikationskatastrophe heraus: In dieser Familie wird kaum einmal die Wahrheit gesagt, alles muss immer ein großartiger Erfolg sein. Ein gelegentliches "Wat?" und Videos aus der Dortmunder Shopping-Meile deuten dezent an, dass diese Geschichte auch im Ruhrgebiet von heute spielen könnte.

Fünf vorzügliche Darsteller füllen acht Rollen, allen voran der massige Andreas Beck als geradezu unerträglich präsenter und zugleich verletzlicher Willy. Carolin Wirth ist als Lomans Ehefrau Linda und auch als dessen Geliebte das humane Zentrum des Abends.

Das Duisburger Publikum war über zwei pausenlose Stunden gebannt, bevor einhelliger Jubel losbrach. Das Gastspiel "zwischen den Jahren" hat sich gelohnt!

(hod)
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