Olaf Meier 24 Stunden Hilfe am Telefon

Duisburg · Der Beauftragte der TelefonSeelsorge im Bistum Essen erklärt im Interview, warum der "Dienst am Hörer" unverzichtbar ist. Die ehrenamtlichen Telefonseelsorger brauchen viel Lebenserfahrung.

 Leitet die Telefonseelsorge: Olaf Meier.

Leitet die Telefonseelsorge: Olaf Meier.

Foto: Christoph Grätz

Die TelefonSeelsorge in Deutschland wird in diesem Jahr 60 Jahre alt. Im Bistum Essen gibt es den Dienst seit 1961. Hier leisten überwiegend Ehrenamtliche 24-Stunden-Dienst am Hörer. Aus den ersten Anfängen 1956 in Berlin ist ein ökumenisches Netzwerk mit über 100 Standorten entstanden. Olaf Meier, der Bistumsbeauftragte und Leiter der ökumenischen "TelefonSeelsorge Duisburg, Mülheim, Oberhausen", erklärt im Interview, warum der Dienst am Hörer so wichtig ist.

Was sind die Probleme, mit denen sich Menschen an Sie wenden? Haben die sich in den vergangenen Jahren verändert?

Meier: Der Ursprungsgedanke der Telefonseelsorge war, eine schnelle Hilfe bei Suizidgefahr anzubieten. Das gibt's natürlich nach wie vor, wo jemand sagt: Ich trage mich mit dem Gedanken oder ich stehe kurz davor, mir das Leben zu nehmen - das sind aber "nur" ungefähr 0,7 bis 0,8 Prozent unserer Anrufe, umgerechnet allein im Gebiet von Duisburg, Mülheim und Oberhausen. Eine Suizidandrohung erleben wir bei der Telefonseelsorge etwa einmal täglich. Ein großer Teil der Gespräche geht nach wie vor um Beziehungsfragen, dramatische Situationen, Krankheitsdiagnosen, akute Trauer, Trennung. Außerdem stellen wir verstärkt fest, dass Leute anrufen, die psychiatrie-, psychotherapieerfahren sind, die also seit längerer Zeit seelisch in Krisenzeiten leben und die bei uns rund um die Uhr Entlastung finden. Wir sind auch Gesprächspartner für Menschen, die überhaupt keinen haben, mit dem sie in der Live-Umgebung reden. Da gibt es manchmal Leute, die rufen um sechs Uhr abends an und sagen: "Ich habe heute noch keine Stimme gehört." Das Thema Einsamkeit verbirgt sich hinter vielen anderen genannten Themen, die scheinbar nicht so dramatisch sind, aber wo die Menschen keine andere Anlaufstelle haben außer uns.

Wir leben in Zeiten von Digitalisierung, Globalisierung. Ist der Dienst am Hörer eigentlich noch zeitgemäß?

Meier: Wenn wir vom Nutzungsverhalten ausgehen, ist er sehr zeitgemäß. Denn wir haben im letzten Jahr bistumsweit 8000 Anrufe mehr als im Vorjahr gehabt. Gerade in Zeiten der Digitalisierung und der medialen Vernetzung ist Hilfe, die schnell, ohne große Hürden Menschen zur Verfügung steht, wichtig. Der Großteil unserer Anrufer ist so zwischen 30 und 60 Jahren. Es stimmt: Bei Jüngeren wird vielleicht mehr der Chat oder WhatsApp oder zum Teil auch noch der Weg über Mails gewählt. Aber immerhin 20 Prozent der ernsten Telefongespräche führen unsere Leute mit Kindern und Jugendlichen unter 18, die sich mit Mobbingproblemen, Stress mit den Eltern oder Liebeskummer an uns wenden. Außerdem gibt es sehr viele Menschen, die regelmäßig anrufen, zum Teil über lange Zeit. Da merken wir schon, dass bei aller technischen Vernetzung die soziale, die menschliche Vernetzung abnimmt.

Was muss jemand mitbringen, der bei Ihnen in der Telefonseelsorge mitmachen will?

Meier: Die Grundvoraussetzung ist natürlich ein gerütteltes Maß Lebenserfahrung. Wer selber noch nie in Krisen war, wird kaum innerlich Zugang haben zu Menschen, die in schwierigen Situationen sind. Ganz wichtig ist Interesse am anderen Menschen, Mitgefühl zeigen zu können und dies in Sprache zu bringen. Wir können den anderen ja nicht umarmen oder auf die Schulter klopfen, wir müssen unsere Anteilnahme in der Sprache zeigen - Gefühle in Worte fassen. Außerdem ist es uns wichtig, dass unsere Ehrenamtlichen stabil und belastbar sind. Wer selber in Umbruchsituationen ist, sollte seine Energie erstmal für sich selbst aufbringen.

(RP)
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