Zeitung der Obdachlosen-Initiative in Düsseldorf Zehn Millionen Fiftyfiftys in 20 Jahren

Düsseldorf · 400 Verkäufer der Obdachlosen-Initiative Fiftyfifty bieten die Straßenzeitung an. In der aktuellen Ausgabe schreibt Kardinal Woelki.

 400 Verkäufer der Obdachlosen-Initiative Fiftyfifty bieten die Straßenzeitung an.

400 Verkäufer der Obdachlosen-Initiative Fiftyfifty bieten die Straßenzeitung an.

Foto: Andreas Bretz

Im April 1995 erschien das erste Heft einer Straßenzeitung, die bis heute Menschen ohne feste Wohnung neue Perspektiven verschaffen will. Eine Zeitung von Obdachlosen für Bürger, denen Menschen mit Brüchen im Leben nicht egal sind. Ihr Titel: Fiftyfifty. Seitdem wurden etwa zehn Millionen Hefte von Obdachlosen verkauft und damit ungezählte Kontakte zwischen Menschen mit und ohne Wohnung hergestellt.

"Die Düsseldorfer haben Verantwortung für ihre Ärmsten übernommen. Wenn einmal ein Fiftyfifty-Verkäufer nicht an seinem Platz steht, rufen die Bürger an und erkundigen sich besorgt nach ihm", sagt Gründer Hubert Ostendorf. Insgesamt seien in 20 Jahren über 5000 Obdachlose von der Straße in Wohnungen vermittelt worden, dies sei "eine einmalige Hilfsbilanz".

Das findet auch Jörg H., Fiftyfifty-Verkäufer der ersten Stunde. "Ohne diese besondere Zeitung wäre ich vermutlich an meiner Drogensucht gestorben. Das Projekt hilft mir, ein wenig Geld zu verdienen, und der Kontakt zu meinen Kunden stabilisiert meinen Alltag." Gern erinnert sich der 51-Jährige an ein Fotoprojekt mit dem Künstler Thomas Struth, bei dem zwölf Obdachlose vorbeigehende Passanten ablichteten. Die daraus entstandenen Ausstellungen wurden bundesweit in Museen und Galerien gezeigt.

 400 Verkäufer der Obdachlosen-Initiative Fiftyfifty bieten die Straßenzeitung an.

400 Verkäufer der Obdachlosen-Initiative Fiftyfifty bieten die Straßenzeitung an.

Foto: Diakonisches Werk, Ilgner (Archiv), Bauer (Archiv), KN

Für Aufmerksamkeit haben auch Bildspenden von Gerhard Richter, Thomas Ruff, Katharina Fritsch und anderen Top-Stars der internationalen Kunstszene gesorgt. Die Werke werden in der zu Fiftyfifty gehörenden Galerie zugunsten der Obdachlosenhilfe verkauft. In den vergangenen 20 Jahren entstanden nach Angaben des Gründers Projekte für Menschen von der Straße im Wert von rund 20 Millionen Euro: sechs Häuser, eine Nachtunterkunft und ein Heim für chronisch kranke Obdachlose in Trägerschaft der Ordensgemeinschaft der Armen Brüder des Heiligen Franziskus. Zwischen den Brüdern und der Initiative kam es allerdings zum Bruch, weil die Ordensgemeinschaft bei unsicheren Finanzgeschäften Geld verloren hatte.

Bei der Schaffung von Wohnraum belässt es die Initiative freilich nicht. So werden im Projekt "Underdog" die Hunde der Obdachlosen medizinisch versorgt; die Hilfe für Armutsmigranten aus Osteuropa bündeln die Helfer unter der Überschrift "east-west". Und unter dem Titel "Straßenleben" bieten sie Wohnungslosen eine andere Form von Stadtrundgang an. "Anlässlich unseres Geburtstages hat Breiti, Gitarrist der Toten Hosen, an einer dieser Führungen teilgenommen", berichtet Ostendorf.

Die Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe stammt aus der Feder des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki. Darin schreibt er: "Von fifty : fifty sind wir in unserer Gesellschaft weit entfernt. Wenn aber der Graben zwischen denen, die alles im Überfluss haben und denen, die nicht mehr wissen, wie sie ihr Überleben bezahlen sollen, immer größer wird, dann schreit das zum Himmel." Übrigens: Das Heft kostet 1,90 Euro. Die Hälfte davon dürfen die Verkäufer für sich behalten.

(RP)
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