Serie So Wohnt Düsseldorf Wo einst Rittersleut lebten

Düsseldorf · Die Geschichte von Gut Kaldenberg reicht bis ins Jahr 1437 zurück. Heute wohnen in den ehemaligen Ställen, Scheunen und im Herrenhaus 18 Familien.

 Bis die ersten Mieter in die alten Ställe, Scheunen und auch ins Herrenhaus einziehen konnten, vergingen neun Jahre Planungs- und Bauzeit.

Bis die ersten Mieter in die alten Ställe, Scheunen und auch ins Herrenhaus einziehen konnten, vergingen neun Jahre Planungs- und Bauzeit.

Foto: Bretz Andreas

Allein die Adresse macht was her: Am Rittergut 1. Und dann das schmiedeeiserne Tor mit Wappen, der Innenhof, die historischen Gebäude: herrschaftlich. Während vor knapp 600 Jahren die Rittersleut auf dem hohen Ross in den Hof ritten, reicht heutigen Bewohnern auch mal ein Drahtesel (die PS-stärkeren Gefährte parken eh unsichtbar außerhalb der alten Gemäuer), und vor dem Herrenhaus liegt ein Kinderspielzeug aus Kunststoff. In Einbrungen liegt Alt und Neu nah beieinander, aber der historische Kern ist genau hier: Gut Kaldenberg.

Pilar Bierich-Fernandez sitzt an ihrem Esstisch und schaut ins Grüne. 2009 zählte sie mit ihrer Familie zu den ersten Bewohnern des frisch restaurierten Gutshofs. Mit einer Nachbarfamilie teilt sie sich das Herrenhaus, ein zartgelbes Prachtstück aus dem frühen 18. Jahrhundert. "Ich habe hier alles, was ich mir wünsche, wenn ich in meinem Garten stehe, genieße ich Stille, bin ich im Innenhof, toben da am Nachmittag oft über 20 Kinder." Sie wohnt nah an der Natur, in dörflicher Umgebung (klammert man das Neubaugebiet mal aus), "aber wir sind mit der Bahn in gut 20 Minuten in der Stadt." Und obendrauf die Gewissheit, auf historischem Grund zu leben. Spielt das im Alltag überhaupt eine Rolle? "Es ist ein gutes Gefühl, irgendwie fühlt sich das wärmer an..."

Also, zurück zu den Wurzeln: Um 1100 wird Einbrungen zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Vermutlich existierte zu dieser Zeit auch schon der Hof auf dem "kalten Berg." Dass sich mittlerweile die Puzzle-Stückchen der Vergangenheit zu einem Bild fügen, ist einem Mann zu verdanken: Josef Fellsches, Professor für Erziehungswissenschaften und einige Jahre Bewohner des Hofes. Akribisch hat er die Geschichte dieses Ortes erforscht und "untrügliche Beweismittel" gefunden, dass der Kaldenberger Hof zumindest seit 1437 ein Rittersitz war. "Von da an lassen sich die Eigentümer nahezu lückenlos nachweisen."

Die lange Kette dieser Besitzer beginnt mit dem stolzen Ritter Godert von Hanxleden, dessen Familie der Hof bis Ende des 17. Jahrhunderts gehörte. Und endet schließlich in unserer Zeit bei der Düsseldorferin Irene Maria Blank, die das Gut 1998 von der Graf-Recke-Stiftung erwarb. Zwischen diesen beiden Eckdaten liegen fast 600 Jahre gefüllt mit Familiengeschichten, Erbstreitereien und Prozessen. Josef Fellsches hat sie bei seiner Recherche aufgespürt: Kaufverträge, Urkunden, Rechnung, wie die von 1739 über eine Fensterreparatur "wegen Sturmwind".

Das Herrenhaus bekam seine heutigen Formen Anfang des 18. Jahrhunderts, aus dieser Zeit stammt auch der Torbogen mit einer gravierten Zahl: 1715. Als die heutige Besitzerin das Gut übernahm und mit ihrem Mann Otto-Heinrich Blank die Idee entwickelte, dort Wohnungen einzurichten, konnte das Paar nicht ahnen, auf welche Herausforderung es sich einließ. Bis die ersten Mieter in die ehemaligen Ställe, Scheunen und ins Herrenhaus einzogen, vergingen neun Jahre Planungs- und Bauzeit. "So einen Komplex zu restaurieren, der nicht nur Baudenkmal, sondern auch noch Bodendenkmal ist, bei dem jede Kleinigkeit dokumentiert wird, ist ein Abenteuer", erinnert sich Otto-Heinrich Blank. Er ließ alte Deckenbalken aus Oldenburg einziehen und spezielle Steinfassungen für die offenen Kamine aus der Eifel liefern.

"Unser Ziel war, dass hier eine besondere Nachbarschaft entsteht, die durch die Wohnform des Hofes gefordert und gefördert wird", meint die Besitzerin. Ist der Plan aufgegangen? Zurück an den Esstisch von Pilar Bierich-Fernandez. "Alle kennen sich, viele sind befreundet. Die Kinder können ungefährdet spielen, wenn Eltern ausgehen wollen, ist immer jemand da, der mal nachschaut." Und bei der letzten Apfelernte halfen alle Kinder mit, hinterher wurde gemeinsam Kuchen gebacken.

Demnächst, wenn ihre 19-jährige Tochter in Spanien studieren wird, ist ihre Herrenhaus-Hälfte mit 190 Quadratmetern - und einem alten Gewölbekeller, in dem früher Lebensmittel gekühlt wurden und heute Partys gefeiert werden - zu groß. "Aber wir ziehen nur um, wenn auf dem Rittergut eine kleinere Wohnung frei wird."

(RP)
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