Karl-Heinz Petzinka "Wir wissen, dass wir bedeutend sind"

Düsseldorf · Der neue Rektor der Kunstakademie spricht im ersten Interview über seine Ziele an der Spitze der Hochschule, die richtige Ausbildung von Künstlern - und das Aus für die Ateliers am Steinberg.

 Karl-Heinz Petzinka in der Kunstakademie. Der Architekt ist dort seit 2008 als Professor für Baukunst tätig, jetzt wurde er zum Rektor gewählt.

Karl-Heinz Petzinka in der Kunstakademie. Der Architekt ist dort seit 2008 als Professor für Baukunst tätig, jetzt wurde er zum Rektor gewählt.

Foto: Andreas Bretz

Herr Petzinka, viele Ihrer bekanntesten Werke sind Machtzentralen: das Stadttor, in dem die Landesregierung ihren Sitz hat, oder die Landesvertretung und die CDU-Parteizentrale in Berlin. Sind Sie fasziniert von Macht?

Petzinka Nein. Aber man arbeitet als Architekt ja nie für sich selbst. Man muss immer eine Aufgabe verstehen und dann kreativ lösen. Ich glaube, das ist meine Stärke, daher haben wir uns mit dem Büro "Petzinka Pink" in vielen Wettbewerben durchgesetzt. Ich habe mir einen Satz gemerkt, den Helmut Kohl damals gesagt hat, als wir über die Parteizentrale gesprochen haben. Er zeigte mir den Entwurf von Gottfried Böhm für den Reichstag und sagte: "Der Böhm hat mich genau verstanden." Diese Fähigkeit ist für Architekten ganz essenziell.

Sind Sie selbst ein Machtmensch?

Petzinka Nein. Machtmenschen wollen sich unbedingt durchsetzen. Das entspricht überhaupt nicht meinem Charakter. Um den Sprung zur Akademie zu machen: Ich glaube, dort haben wir genau in diesem Bereich ein Defizit. Man kann auch an einer Hochschule nicht einfach seine Ideen durchsetzen. Das passt nicht in unsere Zeit.

Sie lösen im Sommer als Rektor Rita McBride ab. In den letzten Jahren hat es unter den Professoren starke Spannungen gegeben. Sie klingen, als wollten Sie als Moderator wirken.

Petzinka In gewisser Weise. Man lernt doch aus dem, was man selber nicht gut findet. Ich habe mich immer darüber geärgert, wenn alle zu wissen glauben, wie es geht. Ich habe als Architekt gelernt, dass es immer viele Alternativen gibt. Man braucht Abwägungsprozesse, um sich für die richtige zu entscheiden.

Rita McBride stieß mit vielen Ideen auf Kritik, vor allem bei Personalentscheidungen. Sie gehörten zu den Kritikern. Sind sie daher angetreten?

Petzinka Ganz klar: nein. Ich finde es auch nicht richtig zu sagen, ich war Ritas Kritiker. Jeder hat seine Eigenarten. Sie hat auch viele gute Entscheidungen getroffen. Sie hat ihren Job gemacht, ich mache jetzt meinen.

Was hat Sie denn dann veranlasst?

Petzinka Ich habe ein klares Hauptziel: Wir müssen es hinbekommen, in der Professorenschaft wieder eine Atmosphäre zu schaffen, in der alle mitarbeiten wollen. Wir besitzen durch das Rektoralsystem eine enorme Freiheit. Wo gibt es das sonst, dass der Apparat selbst über seine Führung entscheidet? Wir wollen kein Mündel des Landes sein. Also müssen wir unserer Freiheit retten und nutzen.

Sie haben mit dem langjährigen Rektor Markus Lüpertz gearbeitet und waren Mitstreiter von Tony Cragg. Kehrt jetzt die alte Garde zurück?

Petzinka Das ist ein lästiges Thema. Ich lese es natürlich nicht gern, wenn es heißt, ich gehörte zur älteren Generation. Man könnte ja auch nach den Vorteilen fragen: Wir Älteren sind gelassener. Wir fragen uns erst mal, was wir bewirken wollen. Um Spuren hinterlassen zu können, muss man vor allem auch besonnen sein.

Ihre Vorgängerin hat gesagt, sie wolle die Türen der Akademie öffnen. Wie lautet Ihr Vorhaben?

Petzinka Ich glaube, man hilft sich nicht mit solchen Ansprüchen. Ich habe es immer unklug gefunden, wenn man sagt, jetzt muss unbedingt die Luft frischer werden. Eine Modernisierung kann man als Rektor nicht verordnen. Ich möchte stattdessen, dass wir uns gemeinsam bewusstmachen, dass die Akademie immer ein Ort von Beginn und Veränderung war. Es gibt hier starke Kräfte. Sie müssen nur angestoßen werden.

Man könnte meinen, Sie wollen vor allem auf Projekte anderer bauen. Sie haben aber sicher eigene. Welche?

Petzinka Klar habe ich die. Aber ich werde sie erst den Kollegen vorstellen, um einen Konsens zu schaffen. Das ist ja gerade mein Ansatz.

Die Stadtspitze wünscht sich, dass die Akademie stärker in die Stadt strahlt. Teilen Sie dieses Ziel?

Petzinka Wir sind kein Dienstleister dafür, dass die Stadt Düsseldorf sich besser fühlt. Aber ich werde mit Oberbürgermeister Thomas Geisel gern daran arbeiten, Ideen durchzusetzen, von denen auch die Stadt etwas hat. Ich will stärker sichtbar machen, dass wir zum Gesicht der Stadt gehören. Ohne Akademie wäre Düsseldorf weniger Düsseldorf.

Die Akademie hat ein sehr eigenes Ausbildungssystem. Sind die Meisterklassen noch das richtige Modell?

Petzinka Ja. Die Meisterklassen müssen wir erhalten. Ich lege auch größten Wert darauf, dass wir die Annahmeprozedur beibehalten: Die Künstler brauchen kein Abitur, aber man muss eine Mappe abgeben. Dann sagt die Kommission, wen sie haben will. Dieser Weg ist höchst individuell. Das ist aber nicht unmodern, das ist etwas Besonderes. Die Auswahl der Meister - das ist das Spannende.

Bereitet die Akademie die Studierenden genug aufs Berufsleben vor?

Petzinka Wir machen unsere Studenten zu aufmerksamen Sehern. Wir lehren sie, ihre Dinge zu machen. Ob das später jemandem gefällt, interessiert uns nicht. In der modernen Welt geht es viel um Anerkennung, Geld und Berühmtheit. Sollen wir uns an solche Mechanismen anpassen? Nein. Die Antwort der Akademie kann nur sein: Wir machen und gucken, was rauskommt. Und wir liegen damit nicht schlecht. Schauen Sie sich die Weltrangliste der Künstler an, da war die Akademie immer vertreten. Markus Lüpertz hat mal gesagt: Wenn die Akademie alle 300 Jahre einen Einstein produziert, dann haben wir unseren Auftrag erfüllt. Wir wissen, dass wir bedeutend sind. Und da, wo ein Ort bedeutend ist, da entsteht auch Bedeutendes.

Muss die Akademie sich mehr um die Folgen der Technisierung kümmern?

Petzinka Das ist eine gesellschaftliche Auseinandersetzung, der wir uns stellen müssen. Ob wir das künstlerisch tragend finden, werden wir sehen. Aber solche Prozesse beflügeln immer die Kunst. Wenn wir sehen, da ist ein Künstler, der spannende Dinge macht, dann sollten wir ihn holen. Auch unsere Werkstätten haben sich kontinuierlich entwickelt. Warum sollen jetzt nicht zeitgenössische Dinge dazukommen?

Sie haben sich immer für die Ateliers im Depot am Steinberg eingesetzt. Zugleich wollen Sie mit einer Investorengruppe das Areal kaufen. Wie lösen Sie diesen Interessenskonflikt?

Petzinka Es gibt keinen Konflikt. Die Ateliers am Steinberg wird es nicht geben. Es ist ja noch nicht einmal mehr klar, ob die Rheinbahn das Depot verkauft oder doch wieder langfristig selber braucht. Aber die Idee von Ateliers für die besten Absolventen finde ich nach wie vor gut. Darüber müssen wir weiter reden, denn das steigert die Attraktivität der Akademie. Wo und wie wir das machen, das werde ich mit den Erfahrungen vom Steinberg diesmal anders angehen: Ich werde von Anfang an dafür sorgen, dass wir in der Akademie gemeinsam ein klares Ziel formulieren und gemeinsam dafür eintreten.

Bleiben Sie nur eine Amtszeit? Sind Sie ein Übergangskandidat?

Petzinka Dieses Wort mag ich nicht. Es muss uns gelingen, in den vier Jahren eine Atmosphäre zu schaffen, in der möglichst viele sagen, wir packen es gemeinsam an. Dann kann ich als Rektor meine Aufgaben verantwortlich übergeben.

ARNE LIEB FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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