Bruno Braun und Andreas Ehlert "Wir planen ein Standardhaus für Flüchtlinge"

Düsseldorf · Bruno Braun, Chef des Bunds Deutscher Architekten, und Andreas Ehlert, Präsident der Handwerkskammer, plädieren für massive Bauten statt Modulanlagen.

 "Es geht nicht nur um Wohnungen für Flüchtlinge, sondern um Wohnraum insgesamt": Bruno Braun (l.), BDA-Vorsitzender Düsseldorf, und Andreas Ehlert, Präsident der Handwerkskammer.

"Es geht nicht nur um Wohnungen für Flüchtlinge, sondern um Wohnraum insgesamt": Bruno Braun (l.), BDA-Vorsitzender Düsseldorf, und Andreas Ehlert, Präsident der Handwerkskammer.

Foto: Andreas Bretz

Herr Ehlert, Sie kritisieren, dass die Stadt 69 Millionen Euro bereitstellt, um Modulanlagen für Flüchtlinge zu kaufen. Weshalb?

Ehlert Weil wir über den Baugewerbeverband des Handwerks haben berechnen lassen, dass für das Geld auch nachhaltiger Wohnungsbau geschaffen werden kann, der im Gegensatz zu Modulen länger als fünf Jahre hält. Das wäre sinnvoller investiert.

Sind Sie darüber mit der Stadt im Gespräch?

Ehlert Von dem Kauf der Module hatte ich zunächst nur aus der Presse erfahren. Ich sprach später mit der Flüchtlingsbeauftragten Miriam Koch. Sie betonte, dass die Stadt bei der Flüchtlingsunterbringung noch immer im Krisenmodus und nicht in der Lage sei, so kurzfristig Planungsrecht für richtige Wohnhäuser zu schaffen.

Zweifeln Sie das an?

Ehlert Nein. Aber wir müssen auch im Krisenmodus nachhaltige Lösungen verfolgen. Die Diskussion um bezahlbaren Wohnraum läuft schließlich schon länger. Es fehlt nicht nur an Wohnungen für Flüchtlinge, sondern auch für junge Familien, Studenten oder ältere Menschen mit geringer Rente.

Herr Braun, sehen Sie und Ihre Kollegen vom Bund Deutscher Architekten das auch so?

Braun Dem kann ich hundertprozentig zustimmen. Wir fordern schon seit 2015, nicht in Modulanlagen zu investieren, sondern in massive Gebäude. Bei der Stadt hatte man anfangs bei der Flüchtlingsunterbringung sogar ein besonderes Düsseldorfer Modell versprochen. Wir waren entsetzt, als wir sahen, dass es nichts anderes ist als ein Containerdorf mit Eingangtor. Ich bin ganz Ihrer Meinung, Herr Ehlert. Es geht nicht nur um Wohnungen für Flüchtlinge, sondern darum, insgesamt mehr Wohnraum zu schaffen. Wobei ich auf eine ansprechende Baukultur poche. Es darf nicht 08/15-Architektur sein.

Ehlert Das kann ich unterschreiben, weil wir in Deutschland reichlich schlechte Erfahrungen mit billigem Wohnbau gemacht haben. Die Gropius-Bauten in Berlin zum Beispiel zeigen aber, dass man schön und preiswert bauen kann.

Braun Das ist bei der Flüchtlingsunterbringung besonders wichtig. Denn wir stellen fest, dass die Akzeptanz der Bevölkerung bei guter Wohnarchitektur größer ist als bei Modulanlagen.

Der BDA hat vergangenes Jahr ein besonderes Projekt angestoßen, das auch von Oberbürgermeister Thomas Geisel begrüßt wurde: Flüchtlinge sollen an ihrem eigenen Haus mitbauen. Was ist daraus geworden?

Braun Es ist mühsam. Wir hatten vorgeschlagen, die Planung und Organisation dafür zu spenden, die Stadt sollte ein Grundstück zur Verfügung stellen. Das dauerte uns zu lang. Da haben wir selber danach gesucht und nicht mehr genutzte Sportplätze gefunden, die für eine Bebauung in Frage kämen. Doch dann hat die Stadt ein Grundstück in Benrath angeboten. Das Grundstück wurde von Ämtern geprüft und für geeignet befunden. Dann hatte die Bauaufsicht wegen der Lärmbelastung Bedenken. Inzwischen ist die städtische Wohnungsgesellschaft eingeschaltet. Sie soll Trägerin dieses und anderer Häuser werden.

Was ist die Grundidee?

Braun Es sollen 20 bis 24 Wohneinheiten für bis zu 70 Personen entstehen. Das Ziel ist nicht nur, ein Haus für jetzt, sondern auch für die Zukunft zu bauen und daraus einen Prototyp für sozial gefördertes Wohnen zu entwickeln. Zur Idee gehört außerdem, die Flüchtlinge bei beteiligten Handwerksfirmen mitarbeiten zu lassen, sie zu testen und gegebenenfalls auszubilden.

Ist ein solcher "Schnuppereinsatz" denkbar, Herr Ehlert?

Ehlert Ich finde die Idee sehr sympathisch. Allerdings gibt es auf Baustellen heutzutage fast nur noch Fachleute, kaum mehr Ungelernte. Und es ist eine komplexe Herausforderung, Flüchtlinge zu einer dreijährigen Ausbildung zu veranlassen, wenn es für ungelernte Arbeit sofort vollen Lohn gibt.

Braun Im Baugewerbe verdienen Lehrlinge doch ganz gut. Ich weiß von einem Betrieb, der ein Jahr lang einen Flüchtling auf der Baustelle eingesetzt hatte. Der Chef war so zufrieden, dass er fragte, ob es nicht noch mehr solche Kräfte gibt. Zur Integration gehört meiner Meinung nach auch eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt.

Ehlert Das ist dem Handwerk ein großes Anliegen, wir haben jetzt schon eine Datenbank mit freien Praktikumsplätzen. Aber die Feststellung der Kompetenzen der Asylsuchenden für den deutschen Arbeitsmarkt ist zeitraubend. Die Integration Points der Arbeitsagentur leisten, was nur geht.

Ist das nicht schwer, wenn jemand keine sichere Bleibeperspektive hat?

Braun Das muss ja nicht sein. Das deutsche Handwerk wirkt wie ein Gütesiegel, damit kann man auch im jeweiligen Heimatland viel Geld verdienen.

Und die Idee der standardisierten Typenhäuser?

Ehlert Damit kann man beim Bauen viel Geld und Zeit sparen. Vor allem, wenn nicht so strenge Ansprüche an Stellplatznachweis, Energieeffizienz, Fahrstühle und Barrierefreiheit gelten.

Braun Kleiner Einspruch: Ich bin der Meinung, dass Barrierefreiheit allein nicht mehr kostet. Aufzüge sind die Kostentreiber. In der neuen Förderrichtlinie sind sie aber bis zur dritten Etage nicht mehr vorgeschrieben.

Ehlert Auf jeden Fall bietet sich in dieser Krise der massiven Zuwanderung auch eine Chance, nämlich Modelle für deutlich preiswertere Wohnbauten zu entwickeln.

Wie könnte das aussehen?

Braun Unsere Idee sieht einzelne Elemente vor, die je nach Bedarf wie in ein Raster eingesetzt werden. Mal können sich die Räume um ein großes Kommunikationszentrum gruppieren, mal kann man das Ganze abgeschlossener gestalten, wenn nicht so viel Interaktion gewünscht ist. Man kann bei veränderter Nutzung auch Elemente ergänzen oder ganz neu zusammensetzen.

Ehlert In Kiel arbeitet man bereits mit so standardisierten Modellen. Wir wissen vom Landrat Hans-Jürgen Petrauschke, dass auch im Rhein-Kreis Neuss bereits ähnliche Projekte angestoßen worden sind.

Die Stadt Oberhausen setzt auch auf massive Wohnhäuser für die Flüchtlingsunterbringung und arbeitet mit einem Handwerker-Konsortium zusammen, das gut eingespielt ist, günstige Angebote machen und Projekte schneller umsetzen kann. Ist so etwas in Düsseldorf denkbar?

Ehlert Wir können als Kammer nicht für die einzelnen Unternehmen sprechen, aber in der Region wird sich solch eine Kooperation sicherlich finden. Es wäre auch sinnvoll, einen Aufruf in der Stadt zu postulieren, dass Architekten, Handwerkskammer, Baugewerbe und Stadt in der Frage zusammenarbeiten.

Müssten Sie mit am Runden Tisch Asyl sitzen?

Braun Das wäre sinnvoll.

Haben Sie einen Wunsch an die Stadt?

Ehlert Es muss im Rathaus einen konkreten Ansprechpartner geben, der das koordiniert.

Braun Und der auch die Kompetenz hat. Die Flüchtlingsbeauftragte Miriam Koch macht eine klasse Arbeit, es müsste aber jemand an ihrer Seite sein, der sich mit Baufragen exzellent auskennt.

Ehlert Am Ende brauchen wir vor allem Grundstücke, die mit solchen Wohnhäusern bebaut werden können.

DENISA RICHTERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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