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Thomas Geisel "Wir erleben eine Vergroßstädterung"

Düsseldorf · Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel über die Entwicklungen beim Wohnen und im Verkehr, seine Amtsführung und die Opernpreise.

 Halbzeit für Oberbürgermeister Thomas Geisel: Er hat sein Amt vor drei Jahren angetreten, im Jahr 2020 findet die nächste Kommunalwahl statt.

Halbzeit für Oberbürgermeister Thomas Geisel: Er hat sein Amt vor drei Jahren angetreten, im Jahr 2020 findet die nächste Kommunalwahl statt.

Foto: Andreas Endermann

Herr Geisel, eines Ihrer wichtigsten Versprechen war es, für mehr bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Aber Mieten und Kaufpreise steigen ungehindert weiter. Hat Ihr Plan nicht funktioniert?

Thomas Geisel Eines ist richtig: Das Wachstum der Stadt ist ungebremst. Düsseldorf boomt. Ob es uns gelingt, durch Wohnungsbau der ständig steigenden Nachfrage ein entsprechendes Angebot entgegenzusetzen, ist natürlich eine große Herausforderung. Es ist aber alternativlos, es zumindest zu versuchen.

Wenn man zum Beispiel junge Familien nach ihren Erlebnissen bei der Wohnungssuche fragt, dann hat man den Eindruck, dass der Markt im unteren bis mittleren Segment leergefegt ist. Kann die Politik das überhaupt verändern?

Geisel Es gibt keine Alternative zu Bauen, Bauen, Bauen. In Düsseldorf wurde jahrelang geschlafen. Jetzt gehen die Signale in die richtige Richtung. Das zeigt die Zahl der genehmigten und fertiggestellten Wohnungen. Ich hatte mir vorgenommen, dass mehr als 3000 Wohnungen pro Jahr entstehen. Und das schaffen wir auch und setzen das Handlungskonzept Wohnen konsequent um, das heißt 40 Prozent aller Wohnungen sind öffentlich gefördert oder preisgedämpft.

Wie hoch ist denn der Einfluss der Politik überhaupt? Kann künftig jeder in Düsseldorf wohnen, der es will?

Geisel Ich kann nicht zaubern. Aber wir können sagen, dass wir das tun, was in unserer Macht steht. Im Gegensatz zu den Jahren vor meiner Amtszeit.

Das gerade entstehende Wohnquartier Grand Central auf dem Postgelände neben dem Hauptbahnhof ist mit seinen drei Wohn-Hochhäusern neu für Düsseldorf. Wird jetzt häufiger in die Höhe gebaut?

Geisel Ja. Wir erleben gerade eine "Vergroßstädterung" in Düsseldorf, die sich ausgehend von der Innenstadt ausbreitet. Das entspricht dem Lebensstil vieler Menschen. Es ist ja nicht so, dass die Menschen nicht gern in verdichteten Gebieten leben, also dort, wo höher und enger bebaut wird. Die neuen Quartiere, gerade in der Innenstadt, sind ja ganz offensichtlich stark nachgefragt.

Wenn Düsseldorf immer höher und enger bebaut wird, bringt das große Herausforderungen mit sich. Ein Stichwort: Verkehr. Leidet durch den Bau-Boom die Lebensqualität?

Geisel Die Leute würden nicht in die Innenstadt ziehen wollen, wenn sie die Lebensqualität dort nicht schätzen würden. Die Lebensweise des Innenstadtbewohners wird sich aber sicher verändern. In Berlin gibt es bereits deutlich weniger Autos. Und man kann in Düsseldorf auch an vielen Stellen das urbane Ideal verwirklichen, auf engem Raum zu leben, arbeiten, einzukaufen und Kultur zu genießen.

Der Innenstadt-Bewohner der Zukunft hat also kein Auto mehr?

Geisel Er ist zumindest nicht mehr darauf angewiesen. Ich selbst habe ein Auto und möchte darauf auch nicht verzichten, aber ich finde es sehr angenehm, wenn ich es nicht brauche.

Eine Alternative wäre, stattdessen mehr Grünflächen im weniger besiedelten Norden zu bebauen.

Geisel Unser Grundsatz ist Innenverdichtung vor Außenzersiedelung. Aber natürlich gibt es auch im nördlichen Bezirk 5 die eine oder andere Fläche, die noch für Wohnungsbau genutzt werden kann.

Sie bekleiden seit drei Jahren ein Amt, das eine große Machtfülle mit sich bringt. Was haben Sie in dieser Zeit über eine gute Amtsführung gelernt?

Geisel Man darf nicht der Versuchung nachgeben, mehr auf Sendung als auf Empfang zu sein.

Haben Sie sich in dieser Hinsicht in den drei Jahren verändert?

Geisel Ich bin guter Hoffnung, dass mich das Amt nicht verändert hat. Ich habe zum Glück ein paar Kontrollinstanzen, darunter meine Familie und alte Freunde mit kritischer Grundhaltung. Aber ich lade jeden ein, sich offen darüber zu äußern.

Ein Dauervorwurf ist, dass Sie zu Alleingängen neigen.

Geisel In einem Führungsamt ist man immer in dem Zwiespalt zwischen reiner Moderation, bei der nach meiner Erfahrung in der Regel wenig herauskommt, und vielleicht einem Übermaß an Führung, die sich allein am Ergebnis orientiert. Mag sein, dass der eine oder andere denkt, dass ich die Balance nicht immer gefunden habe. Aber ich empfinde mich durchaus nicht als einsamen Menschen auf der Kommandobrücke.

Sie meinen also, dass es eher hemmt, wenn man sich zu sehr absichert?

Geisel Ja. Angst ist in der Politik zwar oft ein mächtiger Treiber, aber fast immer ein schlechter Ratgeber. Wenn man versucht, sich immer und überall abzusichern, bewegt sich nicht viel.

Das klingt, als würden Sie sich für besonders furchtlos halten.

Geisel Ich bin jedenfalls kein ängstlicher Mensch.

Sie müssen mit einem Dreierbündnis im Stadtrat regieren. Macht es das schwerer als eine Große Koalition, für die es auch reichen würde?

Geisel Wenn mehrere Parteien beteiligt sind, insbesondere auch kleinere, haben diese manchmal vielleicht ein besonderes Bedürfnis, sich zu profilieren. Und es ist verlockend, sich am Chef der Verwaltung zu reiben. Aber alles in allem arbeite ich mit der Ampel-Kooperation prima zusammen.

Sie haben kürzlich überraschend öffentlich einen Konflikt mit ihrem Kulturdezernenten Hans-Georg Lohe über das Photo Weekend ausgetragen. Lohes Vorgänger Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff und andere werfen Ihnen schlechten Führungsstil vor.

Geisel Man muss erst mal sagen: Der in der Presse zitierte Briefwechsel ist nicht von mir an die Öffentlichkeit gelangt, sondern von denen, die sich jetzt ganz besonders aufregen. Da hätte Herr Grosse-Brockhoff sich informieren sollen. Ich wollte durch meine öffentliche Wortmeldung mit einem falschen Eindruck aufräumen. Ich habe nicht der Galeristin Clara Maria Sels das Photo Weekend entzogen, sondern Lohe wollte es erstmals nicht mehr über das NRW-Forum organisieren. Das habe ich verhindert.

Wie ist denn Ihr Verhältnis jetzt?

Geisel Das war sicher nichts, was unsere Freundschaft nachhaltig vertieft hat. Aber wir schauen jetzt nach vorne.

Sie haben gesagt, dass Sie Kultur in den nächsten Jahren zu einem Ihrer Schwerpunkte machen wollen. Ist Lohe dafür noch der richtige Mann?

Geisel Die Beigeordneten werden nicht vom Oberbürgermeister ernannt, sondern vom Rat gewählt. Und mit denen arbeite ich vertrauensvoll zusammen.

Was die Finanzen angeht, beginnt jetzt der Herbst der Wahrheit. Das Ampel-Bündnis und Sie haben angekündigt, das dicke Minus bei den jährlichen Ausgaben anzugehen. Woher soll das Geld kommen?

Geisel Es ist alles auf dem Prüfstand. Ein Beispiel sind die Immobilien. Wir untersuchen derzeit, welche Liegenschaften, die keinem öffentlichen Zweck dienen, sich für uns wirtschaftlich lohnen. Wir hoffen auch auf die finanziellen Hilfen für Kitas, Kultur und G9-Ausbau, die die neue Landesregierung in Aussicht gestellt hat.

Reicht das denn?

Geisel Nein. Ein Thema werden auch die Preise für hochklassige Dienstleistungen sein. Ich bin nicht sicher, ob es richtig ist, wenn der Preis für bestimmte kulturelle Angebote höchster Qualität preislich in der Höhe einer durchschnittlichen Fortuna-Eintrittskarte liegt.

Also die Oper zum Beispiel?

Geisel Beispielsweise. Viele Menschen sind bereit, für eine Premiere von "Rheingold" sehr viel Geld zu zahlen. Ich erwarte, dass jeder sich fragt, welche Anstrengungen er unternehmen kann, um den Zuschuss aus der Stadtkasse so gering wie möglich zu halten.

Wenn die Politik wirklich die angekündigten 100 Millionen Euro pro Jahr sparen will, muss es viele Einschnitte geben. Mutet man den Bürgern vor der Bundestagswahl die Wahrheit nicht zu?

Geisel Bis jetzt wurde jeder Sparvorschlag, so vernünftig er war, von den Medien aufgespießt. Ich werde nicht vorpreschen, um dann zum Opfer eines allgemeinen Kesseltreibens zu werden. Einsparungen haben meistens mehr Feinde als Freunde, auch wenn sie notwendig sind. Deshalb ist es richtig, dass wir in der Sparkommission zunächst ein Gesamtbild erstellen. Wir wollen die Belastungen fair verteilen.

Wann kommt das Sparpaket denn? Noch vor der Verabschiedung des nächsten Haushalts im Dezember?

Geisel Das wäre vernünftig.

Sind Sie denn bereit, das Thema Sparen trotz aller politischen Widerstände ernsthaft anzugehen?

Geisel Sie haben mir doch eben zu Recht Furchtlosigkeit unterstellt.

DAS INTERVIEW FÜHRTEN ARNE LIEB UND UWE-JENS RUHNAU

(RP)
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