So wohnt Düsseldorf Wie Senioren in einem Baudenkmal leben

Düsseldorf · Das Altenzentrum St. Hildegard in Garath ist für seine Architektur berühmt, aber nicht mehr zeitgemäß. Die Caritas ersetzt es durch einen Neubau. Wir haben uns noch einmal in dem Gebäude umgesehen.

Das Altenzentrum St. Hildegard in Garath
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Das Altenzentrum St. Hildegard in Garath

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Alles hat seine Zeit, heißt es in der Bibel. Da geht es um das Leben und Sterben, um Weinen und Lachen, um Lieben und Hassen, um Größeres also als Architektur und Backsteine und Baudenkmäler. Aber wenn man über ein katholisches Haus spricht, darf man diese Worte vielleicht dennoch heranziehen, sie passen so gut zu diesem in die Jahre gekommenen besonderen Bauwerk, das seine Umgebung in Garath über Jahrzehnte mitgeprägt hat - dessen Zeit sich aber nun in seiner jetzigen Funktion dem Ende neigt.

Das Altenheim St. Hildegard der Caritas ist eines der ungewöhnlichsten seiner Art, von Architekt Gottfried Böhm als Ensemble in rotem Backstein geschaffen. Weitläufig, dabei ein wenig verschachtelt, mit Vorsprüngen und Nischen, von Experten für seine geradezu skulpturale Kraft bewundert, von Architektur-Fans vielfach besucht. Die Kapelle im ersten Stock sticht als Vorsprung im Innenhof hervor. Ein Gebäude wie kein zweites, unverwechselbar, individuell. Dennoch soll es nun verkauft werden, die Verhandlungen laufen.

Eine Menge Wehmut

Denn das Baudenkmal ist in die Jahre gekommen und hat Mängel da, wo es heute klare Vorstellungen zu den Bedürfnissen älterer Menschen gibt. "Viele Dinge entsprechen leider nicht den heutigen Standards", sagt Einrichtungsleiter Lothar Nagel. Kaum 200 Meter entfernt lässt die Caritas als Betreiber deshalb jetzt einen modernen Ersatzbau errichten, der baulich nicht so viel gemeinsam hat mit dem Vorgänger, aber etwas von dessen besonderer Atmosphäre behalten soll. Für 2019 sind die Fertigstellung und der Umzug geplant. "Da ist Zuversicht, weil das ein großer Qualitätsgewinn ist, aber natürlich auch Wehmut", so Nagel.

Etwa im Hinblick auf die prägende "Schnecke", die vom Foyer als gewundener Aufgang - ohne Stufen - nach oben führt und auf dem Weg kleine Sitznischen mit roten Polstern bietet. Bei Feiern wird dieser offene, atmosphärische Raum gern genutzt, doch trotz der fehlenden Stufen gilt er für die Bewohner als nur eingeschränkt nutzbar. Acht Prozent Steigung können mit Rollator oder Rollstuhl schnell zum Problem werden, am oberen Ende verhindert daher eine Sperre den Zugang. Nur wer gut zu Fuß ist, kann diesen Weg noch nehmen, für die anderen gibt es einen Aufzug.

Auch die Flure haben besonderen Charakter, fühlen sich an wie die Gassen einer kleinen Stadt. Dafür sorgen die Ziegelwände ebenso wie der Asphaltboden, der allerdings jenen Probleme macht, die im Alter eher schlurfenden Schrittes über die Gänge laufen, wie Nagel sagt. Die Straßen-Anmutung schätzt er ihres besonderen Charakters wegen: "Man tritt heraus wie aus dem Eigenheim auf die Straße", sagt Nagel: "Der Architekt wollte die Eigenständigkeit der Bewohner herausstellen." Er verweist auf die Türen, die wie Haustüren wirken, auf die daneben angebrachten Namensschilder sowie die Briefkästen, die inzwischen allerdings nur noch Zierde sind. Es heißt, zu häufig seien sie als kleine Mülleimer zweckentfremdet worden. Überall hängen Bilder, die an die Anfänge des Hauses erinnern und auf denen die Bewohner - damals im Schnitt deutlich jünger als heute mit 82 - zusammensitzen, reden oder, auch das wohl nicht mehr zeitgemäß, in den Räumen eine dicke Zigarre rauchen.

"Es ist schön hier", lobt Katharina Resch. Die 73-Jährige lebt seit etwas mehr als einem Jahr in dem Altenheim und ist stellvertretende Vorsitzende des Bewohner-Beirates. Vieles mag sie hier, nicht nur die freundlichen Mitarbeiter, auch die "Schnecke", natürlich, den Garten und die Balkone und die Sitznischen, die überall in den Gängen eingebaut sind - und die es auch im neuen Haus wieder geben soll, weil alle sie mögen.

"Ich merke das eigentlich gar nicht mehr"

"Ich würde sagen, es ist anheimelnd, nur leider auch dunkel", sagt Resch. Bei Besuchen in anderen Altenheimen sei sie "von der Lichtfülle regelrecht erschlagen" worden. Die besondere Architektur des Hauses, sagt sie, fällt einem dagegen gar nicht mehr so auf, wenn man eben drin wohnt. Ein Krankentransportfahrer hat sie mal hergebracht und war erstaunt angesichts des Ensembles mit seinem einhüllenden Charakter: "Der hat gefragt, ob das ursprünglich mal ein Gefängnis war, der fand es fürchterlich." Er war aber eine Ausnahme, fügt sie lächelnd hinzu, die anderen Besucher seien meist angetan.

Dass es auf der ganzen Etage nur zwei Toiletten gibt, ist ein Problem, oft bilden sich Schlangen. An den Zimmern hat sie dagegen wenig auszusetzen, obwohl sie mit zwölf Quadratmetern (Einzelzimmer) recht klein sind, das Gesetz verlangt heute 18. Mit denen ließe sich auch das Bett anders drehen, was es den Pflegerinnen leichter machen würde, die hier ohnehin weite Wege zurücklegen müssen. "Ich merke das eigentlich gar nicht mehr", sagt etwa Kathrin Friedel, die hier seit vielen Jahren arbeitet: "Vielleicht merkt man es, wenn man nach dem Umzug plötzlich mehr Zeit für anderes hat. Für die Menschen."

(RP)
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