Flughafenbrand vor 20 Jahren in Düsseldorf "Wer hätte es besser machen können als ihr?"

Düsseldorf · Der Einsatz beim Flughafenbrand im Jahr 1996 ging vielen Feuerwehrleuten an die Substanz. Wolfgang Röhr war einer von ihnen.

Als der Flughafen Düsseldorf brannte
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Der Einsatz für die Feuerwache Münsterstraße kam um 15.54 Uhr. "Vorsichtshalber", hieß es aus der Leitstelle, solle die Berufsfeuerwehr zum Flughafen fahren. Dort brenne es im Blumenladen an der Ankunftsebene. Der Auftrag: "Unterstützen Sie die Werkfeuerwehr."

Wolfgang Röhr war der Einsatzleiter an diesem 11. April 1996. Minuten nach dem Einsatzbefehl stieg er in den Passat, den die Wache damals erst seit ein paar Monaten hatte, und fuhr vor dem Löschzug in Richtung Airport. Von der Danziger Straße aus bemerkte er einen seltsamen Nebel, der den Flughafen einzuhüllen schien. Komisch, dachte Röhr, was ist das für ein Dunst? Er dachte an ein Wetterphänomen, optische Täuschung. Und dann dachte er an den Einsatz, der ihm bevorstand. "Nicht für den Bruchteil einer Sekunde habe ich diese Dinge in Zusammenhang gebracht. Da war kein Rauch, da war nichts schwarz, nichts, was auf einen Brand hindeuten würde. Nach einer Rauchsäule gucken wir automatisch immer, wenn wir zum Einsatz fahren. Aber da war nichts."

 Wolfgang Röhr kam mit dem ersten Trupp der städtischen Feuerwehr zum Flughafen.

Wolfgang Röhr kam mit dem ersten Trupp der städtischen Feuerwehr zum Flughafen.

Foto: Andreas Bretz

Ungefähr zu dieser Zeit bricht im Terminal das Feuer aus der Zwischendecke durch und schießt als Walze aus Flammen und Rauch mit 20 Kilometern pro Stunde durch die Ankunftshalle.

Als Röhr knapp vor dem Löschzug an der Feuerwache der Werkfeuerwehr ankommt, ahnt er das noch nicht. Dann kommt ihm der Chef der Flughafenfeuerwehr entgegengelaufen. Ein Anblick, den Röhr bis heute nicht vergessen hat. "Die Kollegen waren schwarz im Gesicht, vor allem um die Nase. Sie waren ohne Atemschutz im Rauch." Die Werkfeuerwehr wird später oft kritisiert. Nicht von Wolfgang Röhr: "Die Kollegen haben getan, was sie konnten. Jeder von ihnen hat sein Leben riskiert, um 2500 Menschen aus dem Gebäude zu retten."

Inzwischen sind aus 30 Metern Entfernung die Eingangstüren der Ankunftsebene nicht mehr zu erkennen. Und je näher Röhr kommt, desto deutlicher sieht er, dass aus allen Ritzen Rauch nach draußen quillt. Das ist der Moment, in dem er erkennt, dass hier von "vorsichtshalber" und Blumenladen keine Rede mehr ist. Er greift zum Funkgerät und sagt, was bei der Feuerwehr Düsseldorf so gut wie nie gesagt wird: "Alle verfügbaren Kräfte sofort hierher."

Düsseldorfer Flughafenbrand – die Stunden der Katastrophe
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Düsseldorfer Flughafenbrand – die Stunden der Katastrophe

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Foto: Rheinische Post Archiv

Wolfgang Röhr ist seit kurzem pensioniert. Mehr als 40 Jahre lang war er Feuerwehrmann. Er hat unter Tage gearbeitet, hat hunderte Feuer gelöscht, hat viel menschliches Leid gesehen. Eine seiner letzten Aufgaben bei der Berufsfeuerwehr ist gewesen, am Fernbahnhof das Drehkreuz für die Bürgerkriegsflüchtlinge zu organisieren, die alle zwei Tage von dort in die Landesunterkünfte gebracht werden. Einen Einsatz wie den am 11. April 1996 hat er nie wieder erlebt. Keiner ist ihm so nah gegangen. Und ihm so lange nachgelaufen.

Was den Flughafenbrand von allen Einsätzen davor und danach unterschied, waren Fragen, die er sich sonst nie stellen musste: Was hätte ich besser machen können? Wo hätte ich anders entscheiden müssen?

Wie viel Schuld trage ich?

"Wenn die Feuerwehr gerufen wird, dann ist da in der Regel etwas passiert. Da sind Menschen verletzt oder tot, bevor wir ankommen", sagt Röhr. Am Flughafen waren er und seine Kollegen schon da und versuchten verzweifelt, den Brand unter Kontrolle zu bekommen, als 17 Menschen starben. Und sie konnten ihnen nicht helfen. Der heutige Feuerwehrchef Peter Albers hat ihm damals geholfen, in dem er eine Gegenfrage stellte: "Wer hätte es besser machen können als ihr?"

Die Feuerwehrleute von Röhrs Wache 3 haben eine Weile gebraucht, um das für sich zu akzeptieren. Sie waren es, die die Toten in der VIP-Lounge der Air France fanden. Und die am frühen Abend im Lift in der Ankunftsebene fünf rußgeschwärzte Leichen entdeckten, unter ihnen ein siebenjähriges Kind. Im Parkhaus waren sie in den Aufzug gestiegen und fast sofort erstickt als sich ein paar Meter tiefer die Türen öffneten und der giftige Rauch eindrang. Hätten wir sie früher finden können?

Das war nicht einfach nur Rauch, sagt Röhr. "Dieser Qualm war voller Gift. Salzsäure, Dioxin - selbst im Freien fiel das Atmen schwer." Als der Aufzug in die brennende Ankunftsebene fuhr und die Türen sich automatisch öffneten, blockierte dieser dichte Qualm sofort die Lichtschranke, so dass die Türen nicht mehr schließen konnten.

Heute undenkbar, dass ein Aufzug in eine brennende Etage fährt. Dass Notausgänge verschlossen sind. Und dass die Feuerwehr den Grundriss des Flughafens nicht kennt. Die Katastrophe hat vieles verändert. Europaweit die Brandschutzvorschriften. In Düsseldorf die Einsatzkonzepte und die Zusammenarbeit der Berufs- und der Werkfeuerwehren. Auch den Stellenwert der Feuerwehr hat der Brand beeinflusst. Die Stadt tat seitdem alles, sie auf dem neuesten Stand zu halten. Und ihre Bedenken ernst zu nehmen. "Bis dahin hatten die uns belächelt, wenn wir Rettungswege auf der Kirmes verlangten", erinnert sich Röhr.

Und in der Feuerwehr selbst nehmen die Männer plötzlich auch das Open Team ernst, das ihnen ein paar Wochen zuvor bei seiner Gründung noch unnötig erschienen war - das Team bietet psychosoziale Betreuung bei der Bewältigung traumatischer Einsatzerlebnisse an. Das Team gehört heute zu den vielen Faktoren, die aus der Düsseldorfer Berufsfeuerwehr eine der besten im ganzen Land machen.

Bei Wolfgang Röhr legt sich ein Schalter um. Ein guter Feuerwehrmann, sagt er, braucht "entweder Mut oder Erfahrung". Für ihn zählt seit jenem 11. April 1996 nur noch die Erfahrung. Aus dem mutigen Feuerwehrmann, der nach dem Maschinenbaustudium eher zufällig zu dem Beruf gekommen war, wurde ein besonnener Mensch. Nicht nur im Job.

Daheim in Kevelaer sitzt er für die Grünen im Rat, arbeitet im Garten des Forsthauses, in dem er mit der Liebe seines Lebens wohnt.

Am Montag jährt sich für Wolfgang Röhr der Tag zum 20. Mal, der für ihn "das Ende der Leichtigkeit" markiert.

(RP)
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