Düsseldorf Wenn Wörter zu Feinden werden

Düsseldorf · Eine Lese- und Rechtschreibstörung kann zu massiven Einschränkungen in Schule und Ausbildung führen. Die Düsseldorferin Birgit Jantsch hat die Selbsthilfegruppe "Las Legas" gegründet, um Betroffenen zu helfen.

 Birgit Jantsch und ihr Sohn Vincent sind selbst Legastheniker und finden es wichtig, offen mit dieser Schwäche umzugehen.

Birgit Jantsch und ihr Sohn Vincent sind selbst Legastheniker und finden es wichtig, offen mit dieser Schwäche umzugehen.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Es falle ihr mitunter immer noch schwer, das Wort "Theater" fehlerfrei zu schreiben, erzählt Birgit Jantsch. Und dies, obwohl sie Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften sowie Philosophie und Pädagogik studiert hat. Ihren Studienabschluss machte sie übrigens mit einer glatten Eins. "Nicht fehlerfrei schreiben zu können ist eben mein Handicap", gibt die 48-Jährige unumwunden zu, und outet sich damit als Legasthenikerin.

"Wie hoch die Zahl der unter einer Lese- und Rechtschreibstörung, abgekürzt LRS, leidenden Menschen tatsächlich ist, ist nicht bekannt", erklärt Willi Wilking, Vorsitzender des Vereins Dyskalkulie und Legasthenie mit Sitz in Espelkamp und hervorgegangen aus dem Landesverband Legasthenie und Dyskalkulie NRW. Eine Schätzung legt zugrunde, dass etwa drei bis vier Prozent aller Schüler mit der massiven und lang andauernden Störung des Erwerbs der Schriftsprache zu kämpfen haben. "Es können aber durchaus auch bis zu sechs Prozent sein", ergänzt Wilking.

Legasthene Menschen haben Probleme mit der Umsetzung der gesprochenen in geschriebene Sprache und umgekehrt. Als Ursache werden genetische Dispositionen, Probleme bei der auditiven und visuellen Wahrnehmungsverarbeitung von Sprache und Schrift, vor allem aber bei der phonologischen Bewusstheit angenommen. Insbesondere wenn bereits ein Elternteil Legastheniker ist, kann sich die Einschränkung bei den Kindern deutlich ausprägen. Die Störung tritt isoliert und erwartungswidrig auf, schriftsprachlichen Probleme entstehen also, ohne dass es eine plausible Erklärung wie generelle Minderbegabung oder unzureichende Beschulung geben muss. "In der Schule können Schüler dann schnell als faul gelten", sagt Jantsch, "dabei fehlt es zunächst meist nur an einer Diagnose der Einschränkung und damit häufig an einer entsprechenden Förderung."

Weil auch ihr elfjähriger Sohn Vincent unter Legasthenie leidet, gründete Jantsch im Sommer dieses Jahres die Selbsthilfegruppe "Las Legas". Mit bislang rund 40 Mitgliedern will sie auf regionaler Ebene für kompetente Aufklärung, Hilfestellung und Unterstützung der Betroffenen sorgen. In erster Linie gehe es ihr darum, den Kindern Hilfe und vor allem Akzeptanz zu gewährleisten. Denn neben der Wichtigkeit einer frühen Diagnose und anschließender Förderung, gilt es auch, gegen die Stigmatisierung der Legasthenie anzuarbeiten. Viele betroffene Eltern und Kinder schämen sich der Einschränkung und versuchen, diese zu verbergen. "Dies ist der falsche Weg", sagt Jantsch.

Sie fordert, dass bereits Kindergartenerzieher und Grundschullehrer in ihrer Ausbildung hinreichend über die Erkrankung informiert werden, denn bei frühzeitiger Diagnose können Probleme meist kompensiert werden. Je später eine Therapie einsetzt, desto geringer sind meist die erzielbaren Effekte. Auch eine Einbindung und Verpflichtung des Gesundheitswesens ist Teil ihres Forderungskatalogs. "Einer der wichtigsten Punkte ist die Kooperation zwischen Eltern, Schule und Behörden. Diese wird auf allen Papieren immer betont, aber in der Realität ist sie nicht existent", sagt Jantsch. "Und auch, wenn das Land Nordrhein-Westfalen für das kommende Jahr die Mittel für die Alphabetisierung von 500.000 auf eine Million Euro erhöht hat, so wäre es sinnvoll, eine Kooperation auf Landes- und kommunaler Ebene zu schaffen." Um Anregungen auch auf politischer Ebene anzustoßen, hat sie Kontakt zu großen politischen Parteien aufgenommen.

(RP)
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