Düsseldorf Wenn ein Kind stirbt

Düsseldorf · Anke Kleinhanss weiß, wie sich Eltern nach dem Tod ihres Kindes fühlen. Sie hat selbst vor zehn Jahren ihren Sohn verloren. Den Glauben hat sie nach dem Schicksalsschlag wiedergefunden. Jetzt hilft sie anderen Betroffenen.

 Anke Kleinhanss hilft mit dem Angebot "Echo" anderen Menschen, die nahestehende Personen verloren haben.

Anke Kleinhanss hilft mit dem Angebot "Echo" anderen Menschen, die nahestehende Personen verloren haben.

Foto: Andreas Bretz

Mehr als zehn Jahre ist es her, dass Anke Kleinhanss ihren Sohn Lauritz verlor. "Die Trauer hört nie auf", sagt die 50-Jährige, aber man würde mit der Zeit lernen, damit umzugehen. Vor dem Goethe-Gymnasium war der damals Elfjährige beim Versuch, die Lindemannstraße zu überqueren, von einem Auto überfahren worden. 14 Tage später starb er. "Ich hätte mir damals gewünscht, jemandem alles erzählen zu können, was mich bewegt - alles ausschütten und abladen zu können. Mein Partner hat auf eine andere Art getrauert und Angehörige waren selbst überfordert", sagt Kleinhanss.

Sie möchte deshalb Menschen in einer ähnlich schweren Situation beistehen und arbeitet deshalb bei "Echo" ("Experience can help others", englisch für "Erfahrung kann anderen helfen") mit. Neben Notfallseelsorger Olaf Schaper engagieren sich dort nur Mitarbeiter, die ein Kind überraschend verloren haben, sei es durch Suizid, Mord, Unfall oder den plötzlichen Kindstod. Sie können sich so besonders gut in die Situation der anderen Eltern hineinversetzen.

"Ich hätte damals beispielsweise jemanden gebraucht, der mir sagt, dass das, was ich fühle, nicht verrückt, sondern die Situation verrückt ist", sagt Kleinhanss. In ihrer Arbeit erfährt sie nun, wie gut es den Betroffenen tut, sich auf Augenhöhe auszutauschen, sich nicht groß erklären zu müssen. "Manchmal ist diese Arbeit schwer und sehr traurig, aber sie reißt bei mir nicht alte Wunden auf. Ich habe gelernt, Mitgefühl zu zeigen, aber kein Mitleid zu empfinden, denn das würde mich selber herunterziehen."

Helfen bei dem Ehrenamt tun Kleinhanss die eigenen Erfahrungen, eine Schulung und mehrere Semester Psychologie-Studium. Zudem kann sie an einer Supervision teilnehmen und lässt sich zurzeit mit elf anderen Personen zur Notfallseelsorgerin fortbilden.

Während andere Menschen in einer Extremsituation anfangen zu zweifeln, mit Gott hadern, nicht begreifen können, wie er so ein Schicksal zulassen kann, und darüber ihren Glauben verlieren, hat Anke Kleinhanss wieder zum Glauben zurückgefunden. "Ich bin eigentlich mit 18 Jahren aus der Kirche ausgetreten. Nach dem Tod von Lauritz hat mir als erstes ein Seelsorger beigestanden und in vielen Gesprächen mit Seelsorgern habe ich Hoffnung schöpfen können, dass mein Leben weitergeht und es auch lebenswert ist. Das habe ich bei Psychologen nicht erfahren." Kleinhanss ist deshalb wieder in die Kirche eingetreten. Unter deren Dach, bei der evangelischen Kirche, ist "Echo" angesiedelt. "Unsere Beratung und Begleitung ist aber überkonfessionell, sie steht jedem offen." Der Bedarf danach ist groß. Im vergangenen Jahr hat das dreiköpfige Echo-Team in zehn Fällen Angehörige begleitet, manchmal über mehrere Monate hinweg. Dabei sind die Trauerbegleiter nicht nur kompetente Gesprächspartner, sondern helfen auch bei praktischen Dingen, begleiten beispielsweise die Eltern auf den Friedhof oder helfen bei den Vorbereitungen zur Bestattung. "Manchmal ist auch einfach nur eine kleine Geste hilfreich, wie eine stärkende Suppe zu kochen", sagt Kleinhanss.

(brab)
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