Düsseldorf Wenn die Schule ins Krankenhaus kommt

Düsseldorf · Die städtische Alfred-Adler-Schule unterrichtet Kinder, die längere Zeit stationär behandelt werden. So individuell wie die betroffenen Jungen und Mädchen sind, so individuell muss auch das schulische Angebot sein.

Erik Leven (7) zeichnet Bögen für Silben in die Luft. Für das Wort "Tisch" einen, das Wort "Krankenhaus" besitzt schon drei Bögen. Für den Zweitklässler eine ganz gewöhnliche Unterrichtssituation - wäre da nicht sein derzeitiger Aufenthaltsort. Denn vor rund einer Woche wurde dem an Diabetes erkrankten Schüler an der Uniklinik eine Insulinpumpe implantiert, die nun noch genau eingestellt werden muss. Sie wird ihn in Zukunft kontinuierlich mit Insulin versorgen.

Damit Erik während seines Krankenhausaufenthaltes keine Lehrinhalte versäumt, kommt Britta Mahlstaedt regelmäßig in die Kinderklinik. Nach einem Studium der Sonderpädagogik arbeitet die 34-Jährige als Lehrerin der Alfred-Adler-Schule, einer städtischen Schule, die von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen aller Schulformen besucht wird, die insgesamt länger als vier Wochen erkrankt sind und aufgrund ihrer Behandlung nicht am klassischen Unterricht teilnehmen können. "20 Lehrer unterrichten in drei Abteilungen - an der Uniklinik, dem Evangelischen Krankenhaus in Bilk sowie der LVR Klinik in Grafenberg - rund 700 Schüler pro Jahr", sagt Schulleiterin Jutta Hinne-Fischer (61). Häufig finde - wie bei Erik - eine individuelle Eins-zu-Eins-Beschulung statt. Nicht selten, erklärt Hinne-Fischer, würden Kinder aber auch in kleine Lerngruppen zusammengefasst. "Dies fördert den sozialen Kontakt, den die Kinder aus ihrem gewohnten Klassenverband kennen und der in der Klinik mitunter verloren geht."

Damit die Schüler an die Lehrinhalte ihrer Stammschulen anknüpfen können, findet ein regelmäßiger Austausch mit den Lehrern eben dieser Schulen statt. Unterrichtet wird vorwiegend in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen. Aber auch die Nebenfächer werden bisweilen berücksichtigt. "Und besucht ein Schüler einen Biologie-Leistungskurs, so unterrichten wir ihn im Hinblick auf das bevorstehende Abi auch in diesem Fach", sagt Hinne-Fischer. Die Leistungsanforderungen orientieren sich dabei an den individuellen Fähigkeiten der Schüler, aber auch an den Aufgabenstellungen der Stammschulen. Sind die Kinder chronisch erkrankt und müssen deshalb immer wieder ins Krankenhaus, schreiben sie auch Klassenarbeiten. Sogar Abiturklausuren werden vor Ort abgelegt. "Von uns unkommentiert werden diese dann an die Stammschule zurückgesandt und dort korrigiert", erklärt Hinne-Fischer.

Vor und während der Beschulung der Kinder und Jugendlichen gibt es engen Kontakt zu den Eltern und zum medizinischen Personal: "Grundsätzlich gilt, dass die Therapie der Kinder im Zweifel vorgeht", sagt Gymnasiallehrerin Christiane Brosch (42), die seit elf Jahren an der Alfred-Adler-Schule hauptsächlich Kinder der Stationen Kinderkardiologie und Pneumologie unterrichtet. Eine Zusatzausbildung als Kinder- und Jugendpsychotherapeutin hilft ihr dabei, auch die veränderten Lebensumstände ihrer Schüler in der ungewöhnlichen Unterrichtssituation zu berücksichtigen. Arbeitet sie mit schwerst mehrfachbehinderten Kindern, unterscheiden sich auch die Lernziele von den üblichen schulischen Anforderungen. "Dann", sagt Brosch, "ist das Unterrichtsziel manchmal auch einfach nur, zu lächeln." Nicht immer können die medizinischen Therapien erfolgreich abgeschlossen werden. Innerhalb des kollegialen Teams herrsche in solchen Fällen ein sehr enger Zusammenhalt, meint Brosch. "Eine Grundvoraussetzung, um die mitunter hohe psychische Belastung tragen zu können."

(RP)
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