Düsseldorf Vorabgestimmt

Düsseldorf · Immer mehr Düsseldorfer geben ihre Stimme vorher ab. Warum eigentlich? Ein Besuch im Wahlamt.

In der Zentrale des Wahlamts in der Brinckmannstraße können Düsseldorfer seit Mitte April direkt ihre Stimme abgeben.

In der Zentrale des Wahlamts in der Brinckmannstraße können Düsseldorfer seit Mitte April direkt ihre Stimme abgeben.

Foto: Lisa Kreuzmann

Der junge Biologie-Student hat in das Wahlamt an der Brinckmannstraße ein Problem mitgebracht. In wenigen Tagen wird in Nordrhein-Westfalen der Landtag gewählt. Der 22-Jährige möchte seine Stimme schon früher abgeben. Nur wen er wählen soll, das weiß er auch im Wahlamt angekommen noch nicht. Sein Problem: "Ich bin rechter, als ich sein möchte", sagt Linus Kohlstadt.

Und rechts von seinem Selbstbild liegt die AfD, deren Forderungen er zu 67 Prozent zustimme. Das sagt zumindest das Onlineportal "Wahl-O-Mat", ein Quiz zur Bestimmung der eigenen politischen Neigung. Aber die AfD möchte er auf gar keinen Fall wählen. Und nun?

Die Rheinbahn gibt den Takt an. Im Fahrplan-Rhythmus schwappen Kleingruppen in das Wahlamt in der Brinckmannstraße, erster Stock, Raum 1047. Immer mehr Düsseldorfer geben ihre Stimme schon vor dem Wahltermin ab, per Briefwahl, oder direkt in der Zentrale des Wahlamts.

Während bei der vergangenen Landtagswahl noch 66.600 Düsseldorfer einen Antrag auf Briefwahl gestellt haben, sind es laut Wahlamt nun fünf Tage vor Wahltermin mit 73.500 Anträgen in den vier Düsseldorfer Landtagswahlkreisen bereits rund zehn Prozent mehr. Bis Dienstagabend haben so schon rund 52.000 Düsseldorfer ihre Stimme abgeben, was einem Anteil von rund zwölf Prozent der Wahlberechtigten entspricht.

Der Trend stellt das Wahlamt vor eine logistische Herausforderung. Bis zu 10.000 Briefwahlanträge am Tag müssen in der Brinckmannstraße zu Hochzeiten bearbeitet werden, erzählt Dirk Nagels vom Wahlamt. "Wir sind vorbereitet, haben einen Hochleistungsscanner, der bis zu 30.000 Anträge am Tag verarbeiten kann", sagt Nagels. Auch das Personal werde in der Zeit vom 10. April bis zum 24. Mai um 27 Kräfte aufgestockt, um die Vorherwähler bedienen zu können. "Als wir 35 Tage vor der Wahl, morgens um 8 Uhr unsere Türen zum ersten Mal aufgemacht haben, war der Erste schon da", erzählt Nagels. "Natürlich ein Rentner", sagt er und freut sich über die Erwartbarkeit.

Tatsächlich seien die meisten Vorabwähler ältere Semester, sagt auch Mitarbeiterin Elisabetta Barberi. Aber auch Erstwähler sind dabei, allerdings weit über 18. So wie Bernardo Fallas, der bereits seit 1999 in Deutschland lebt, aber erst seit vergangenem Jahr deutscher Staatsbürger ist. Der gebürtige Costa Ricaner wählt überhaupt zum ersten Mal in seinem Leben. "Vorher war das einfach nicht möglich", sagt Bernardo Fallas, hebt die Schultern und grinst. "Das ist ein super Gefühl", sagt der Düsseldorfer, "mitbestimmen zu dürfen." Nur das Prinzip der Erst- und Zweitstimme sei ein wenig kompliziert.

Die Düsseldorfer seien traditionell gute und treue Briefwähler, sagt Nagels. "Viele wollen den Termin einfach frei bestimmen können." Helmut und Hannelore Wolter haben beispielsweise am Wahlsonntag schon etwas vor. "Eine Familienfeier", sagt das Paar. Ihre Stimme geben sie deshalb schon am Dienstag vor der Wahl ab, denn dass sie wählen gehen, sei für die Wolters selbstverständlich. Darüber, was sie wählen, spricht das Paar aber nicht. Auch untereinander nicht. "Wir haben ja schließlich ein Wahlgeheimnis", sagt Hannelore Wolter. Und neugierig, was ihr Mann wähle, sei sie auch nicht. Verrät aber, dass sie mit Kandidat Armin Laschet (CDU) nicht viel anfangen könne.

Dieses Jahr fällt der Wahlsonntag zusätzlich auf den Muttertag: "Für viele ein Grund, vorher wählen zu gehen", weiß Mitarbeiterin Barberi. Zum Beispiel, um einen Ausflug machen zu können. Aber auch den Satz "wir haben eine Konfirmation", höre sie öfter. Und wieder andere wollen am Sonntag in Ruhe Formel 1 schauen.

Und Linus Kohlstadt? Der fährt am Wochenende in den Spanienurlaub und hat sich letztlich gegen das Urteil des "Wahl-O-Mat" entschieden. Seine Erststimme bekam die Linke, seine Zweitstimme die Freien Wähler. Wenn auch nicht ganz überzeugt - wenigstens sei das schon mal erledigt.

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