Markus Ambach Und Jörg-Thomas Alvermann "Vor das Theater gehört Kunst"

Düsseldorf · Die beiden Künstler plädieren für mehr Kunst im öffentlichen Raum. Die U-Bahnhöfe der Wehrhahn-Linie werden als Vorbild genannt. Die neue Kommission soll bei Projekten frühzeitig beteiligt werden.

 Jörg-Thomas Alvermann (l.) mit Markus Ambach in dessen Atelier an der Harkortstraße

Jörg-Thomas Alvermann (l.) mit Markus Ambach in dessen Atelier an der Harkortstraße

Foto: Anne Orthen

Die Stadt Düsseldorf hat einen Kulturausschuss des Stadtrats und diverse Beiräte für Kunst. Seit 1. Januar hat sie zusätzlich eine 18-köpfige Kunstkommission aus Künstlern und Politikern. Ist das nötig?

Markus Ambach Ja. Deshalb habe ich mich seit 15 Jahren dafür eingesetzt. Es fehlt in Düsseldorf bis jetzt eine echte Auseinandersetzung mit der Kunst im öffentlichen Raum. Warum stehen in der Innenstadt zum Beispiel etliche Werke von Bert Gerresheim, aber kein einziges von Thomas Schütte?

Weil der Heimatverein Düsseldorfer Jonges viele Werke von Gerresheim gespendet hat.

Ambach Ich will nichts gegen Bert Gerresheim sagen. Das Problem ist aber doch, dass viele wichtige Künstler nicht im öffentlichen Raum vertreten sind. Das liegt daran, dass sich bislang niemand um das Thema gekümmert hat. Das kann die Kommission ändern.

Jörg-Thomas Alvermann Städte wie München oder Zürich sind bereits erfolgreich mit einer Kunstkommission. Dieses Niveau wollen wir erreichen. Die Kunst im öffentlichen Raum ist für eine Kulturstadt wie Düsseldorf eine große Chance. Die Künstler tragen zu einer neuen Planungskultur in der Stadt bei.

Bei Kunst im öffentlichen Raum denkt man zuerst an Skulpturen oder Brunnen auf öffentlichen Plätzen.

Alvermann Es ist viel mehr möglich. Vor allem dann, wenn Künstler bei Großprojekten schon in der Planungsphase beteiligt werden. Der beste Beweis sind die künstlerisch gestalteten Bahnhöfe der Wehrhahn-Linie. Da waren Künstler von Anfang an eingebunden.

Ambach Ein ganz anderes Beispiel: Für einen Modellversuch im Jahr 2005 hat der Künstler Hinrich Sachs am Cecilien-Gymnasium ein Werk mit dem Titel "Fünf Landschaften des Weltkulturerbes" geschaffen. Dabei entstand unter anderem ein echter Weinberg an der Schule - den es immer noch gibt. Die Kommission soll flexibel denken, so dass viele unterschiedliche Projekte eine Chance erhalten.

Kritiker beklagen, es handele sich um ein Luxus-Projekt in finanziell schwierigen Zeiten. Immerhin sind 700.000 Euro pro Jahr für Kunst am Bau eingeplant.

Ambach Bei dieser Kritik werde ich allergisch. Wenn man so denkt, muss man sich fragen, wo eine Gesellschaft steht. Kultur ist der Ort, an dem sich die Geschichte der Menschheit abbildet. Sie gehört zum menschlichen Leben wie das Atmen. Der Betrag ist im Vergleich zu anderen Städten nicht hoch. Da haben wir uns kooperativ verhalten.

Trotzdem stellt sich die Frage, wie die Stadt profitiert.

Ambach Natürlich. Gerade hier gibt es eine soziale und auch politische Komponente: Kunst im öffentlichen Raum richtet sich an die gesamte Stadtgesellschaft, anders als der klassische Fachdiskurs zum Beispiel in Museen

Alvermann Man sieht an den Bahnhöfen der Wehrhahn-Linie auch, wie Orte durch Kunst eine eigene Atmosphäre entwickeln und eine Identität erhalten. Künstler denken anders über Räume nach und ergänzen ein Bauprojekt so um weitere Perspektiven.

Was werden die ersten Projekte?

Alvermann Den Auftakt bildet der Reeser Platz. Die Bezirksvertretung 1 hat sich einen künstlerischen Gegenentwurf zum Soldaten-Denkmal aus der NS-Zeit gewünscht. Wir haben mit den Politikern gesprochen und übernehmen die Auswahl. Das ist direkt eine schwierige Aufgabe, da kann man sich leicht verheben. Ein wichtiges Thema sind zudem die vielen Schulneubauten.

Ambach Die Kunstkommission sollte auch bei der Neugestaltung des Gustaf-Gründgens-Platzes vor dem Schauspielhaus mitentscheiden. Ich habe den Eindruck, dass der Platz derzeit komplett aus dem Einfluss der öffentlichen Hand gerät. Dabei ist es kulturell ein hoch aufgeladener Ort. Es wäre ein Armutszeugnis, wenn dort künstlerisch nichts passiert. Die Kommission könnte sich mit den Beteiligten zusammensetzen. Beim Kö-Bogen I hat man es bereits verpasst, frühzeitig Künstler zu beteiligen.

Der Vorsitzende des Kulturausschusses, CDU-Politiker Friedrich Conzen, befürchtet, die Kommission werde ein "Klüngel unter Künstlern".

Ambach Mich hat diese Kritik geärgert. Da stellt Herr Conzen die gesamte Künstlerschaft unter Generalverdacht: Ich empfinde es als Problem, wenn der Vorsitzende des Kulturausschusses Parteipolitik mit der Kultur macht. Da wird einfach etwas behauptet, ohne dass man sich das Projekt anschaut. Ich finde es ABER wichtiger, dass der Stadtrat am Ende die Kommission einstimmig beschlossen hat, also auch mit den Stimmen der CDU.

Wie soll denn verhindert werden, dass Künstler die Aufträge einfach befreundeten Kollegen zuschieben?

Alvermann Man kann sicher nicht verhindern, dass ein Mitglied der Kommission mal jemanden kennt, der sich bewirbt, auch wenn nicht nur Künstler aus Düsseldorf teilnehmen können. Ich glaube aber, so etwas gerät in den Hintergrund, wenn man in der großen Runde eine ernsthafte inhaltliche Debatte beginnt, also sich anschaut, welches Projekt zu diesem Gebäude oder diesem Raum passt. Wir fragen: Wer kann mit dem Auftrag umgehen? Und nicht: Wer ist mein liebster Facebook-Freund?

Gleich beim Pilotprojekt am Goethe-Gymnasium konnte sich die Kommission nicht auf einen Entwurf einigen. Ist das ein schlechtes Zeichen?

Alvermann Ich denke nicht. Das war eine mutige Entscheidung. Denn es wäre viel einfacher gewesen, wenn wir einen der Beiträge ausgewählt hätten. Wir wollen aber zeigen, was mit der Kommission möglich ist. Letztendlich hat keine der eingereichten Arbeiten überzeugt. Nun gibt es eine zweite Bewerbungsrunde.

Herr Ambach, Sie haben sich lange für die Kommission eingesetzt. Warum gehören Sie ihr nicht an?

Ambach Ich will, dass die junge Generation die Verantwortung übernimmt. Sie wird viel zu wenig an der Gestaltung ihrer eigenen Zukunft beteiligt. Die Kunstkommission ist ein Zukunftsprojekt, in dem jetzt gerade die jungen Mitglieder unserer Vorbereitungsgruppe in den ersten drei Jahren dabei sind, um den Übergang zu gestalten. Ich finde ständigen Wechsel wichtig. Zu viele Menschen sitzen zu lange in ihren Ämtern.

Gibt es Herzensprojekte für die Kunstkommission, die Ihnen besonders wichtig wären?

Ambach Ich glaube, der Bahnhofsvorplatz wird ein Riesenthema. Er wird das neue Eingangstor zur Kulturstadt Düsseldorf. Es wäre angezeigt, dass man die Kommission dazu bittet.

Alvermann Mein Herzensprojekt ist die Kunstkommission selbst. Ich bin gespannt, ob sich die von uns entwickelten Richtlinien bewähren und mit der Kommission neue Wege beschritten werden. Das ist, als wenn man lange an einem Boot baut und es jetzt zu Wasser lässt. Jetzt muss sich zeigen, ob es seetüchtig ist.

ARNE LIEB FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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