Düsseldorf Von Oppositionsführern und Teamplayern

Düsseldorf · Nach einem turbulenten politischen Jahr ist nun Zeit zum Durchatmen. Natürlich nur für den nächsten Spurt. Tempo, überraschende Wendungen, machtpolitische Aktionen und ein äußerst selbstbewusster Rathaus-Chef werden auch im neuen Jahr für reichlich Abwechslung sorgen.

Die Ampel hält immer noch. Selbstverständlich ist das nicht, denn im Düsseldorfer Rathaus müssen erstmals drei nicht gerade homogene Fraktionen von SPD, Grünen und FDP an einem Strang ziehen. Ob das in einem Jahr noch so sein wird, ist fraglich. 2017 stehen Wahlkämpfe für Bund und Land an. Und schon jetzt werden Wetten abgeschlossen, wie lange das Trio zusammenhält.

Anlass ist das fast reflexhafte Ausscheren der FDP, angeführt von Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Auf ein Nein legte sich die FDP fest, als es um den Start der Tour de France ging. Im Rat gab's zwar eine knappe Mehrheit, SPD und Grüne müssen aber mit dem Makel leben, Rechtspopulisten als Mehrheitsbeschaffer in Kauf genommen zu haben. Mit Nein wollen die Liberalen auch stimmen, falls es zur Abstimmung um den Johannes-Rau-Flughafen kommt. Auch bei einer höheren Quote für sozialen Wohnungsbau, einem Mietmodell für den Neubau des Dürer-Berufskollegs und der geplanten Wiedereinführung der Kita-Gebühren stellte sich Strack-Zimmermann an die Spitze der Gegner. Für manche ist sie die eigentliche Oppositionsführerin. Was vor allem ihren politischen Karriereplänen (Strack-Zimmermann ist Bundes-Vize und will 2017 in den Bundestag einziehen) und innerparteilichen Widersachern geschuldet ist, aber auch nicht ganz stimmt: Denn in allen relevanten und im Kooperationsvertrag festgelegten Punkten ist sich die Ampel einig: Finanzen, Schulbauten, Flüchtlingspolitik, mehr preiswertes Wohnen, Förderung von Radverkehr und ÖPNV.

Den Rest übernimmt die CDU, die sich 2015 in ihre Oppositionsrolle eingefunden hat. Fraktionschef Rüdiger Gutt gibt sich bissig und teilt aus: Ob der Dauerstreit von Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) mit dem Sparkassen-Chef um Ausschüttungen, die Finanzierung von Schulbauten, das Aus für den Bücherbus oder schmelzende Ersparnisse - Gutt findet harte Worte, nennt es Klassenkampf am Bau oder Verhökern städtischen Grundbesitzes. Gut gebrüllt - das sagen die einen Christdemokraten; zu viel, zu laut, zu aggressiv, die anderen. Denn die zwei Lager in der Fraktion konnte Gutt in fast zwei Jahren an der Spitze nicht befrieden. Die mal mehr, mal weniger ausgelebte Konkurrenz mit seinem Mitbewerber um den Vorsitz, Andreas Hartnigk, lähmt. Bissig gibt sich auch der, ist hinter den Kulissen aber im Zweifel verhandlungsbereiter. Strategisch nicht unklug, will die CDU in der Opposition nicht vollends abgehängt sein und etwa beim Besetzen wichtiger Posten doch noch mitreden. Sollte es zur großen Koalition von CDU und SPD kommen, wird Hartnigk als Wegbereiter gesehen.

Etwas unscharf ist die Rolle der SPD im Rathaus, immerhin stärkste Kraft in der Ampel. Doch Rathaus-Chef Geisel macht es seinen Genossen nicht leicht: Mit der Wiedereinführung der Kita-Gebühren wollte er ein Ur-SPD-Thema beschneiden - und kassierte ein Nein aus den eigenen Reihen. Fraktionschef Markus Raub legt Wert darauf, keinen OB-Abnickverein zu leiten. Entsprechend kritisch sieht ihn Geisels Umfeld. Raub, mehr Teamplayer als Mehrheitsführer, ist aber wichtig im komplexen Ampel-Gefüge. Er will, dass die Kooperation hält, weil die SPD nur so die Hauptrolle spielt.

An Biss und Profil verloren haben die Grünen, seit sie an der Regierung sind. Das Führungsduo aus Angela Hebeler und Norbert Czerwinski macht zwar solide Arbeit, doch echte Weichen im Sinne der Grünen wurden noch nicht gestellt: ein bisschen mehr Geld für Radwege, mehr Raum für ÖPNV, Geschlechterneutralität in den Ratsvorlagen, höhere Zuschüsse für die Off-Szene. Das war's. Sind die Grünen schon jetzt ermüdet vom Regieren? Oder wollen sie nur nicht anecken, um sich die Option Schwarz-Grün offenzuhalten?

Fern von Mehrheitsadditionen ist die Linke. Die Fraktions-Doppelspitze Angelika Kraft-Dlangamandla und Lutz Pfundner steht für unaufgeregte, aber treffende Opposition. Ihre Argumente sind oft Gradmesser für die Gefühlslage des linken Flügels der SPD. Noch immer ungewohnt, stehen die Linken oft an der Seite der CDU.

Bleibt noch der Rest des Rats: ein Pirat, der meist mit der Ampel stimmt, Tierschutzpartei und Freie Wähler, die eine Fraktion bilden, je ein Ratsherr von AfD und Republikanern. Auch ihre Rolle ist größer geworden, wie die Tour-Abstimmung gezeigt hat.

(dr)
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