Kolumne Auf Ein Wort Verantwortung übernehmen!

Düsseldorf · "Sie verbrennen alle Gotteshäuser im Land" und "Kein Prophet redet mehr". Diese beiden Sätze aus Psalm 74 unterstrich Dietrich Bonhoeffer in seiner Bibel. Daneben schrieb er das Datum: 9. November 1938. Das ist jetzt 77 Jahre her. Und es bleibt unbegreiflich. Für die Jüngeren wie mich, aber auch für viele, die es miterlebt haben.

 Michael Hänsch, Geschäftsführer der Katholische Kirche in Düsseldorf

Michael Hänsch, Geschäftsführer der Katholische Kirche in Düsseldorf

Foto: Schaller,Bernd (bs)

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zeigte sich das grausame Gesicht der nationalsozialistischen Diktatur besonders deutlich - und eine ganze Gesellschaft wurde Zeuge: Mitten in Deutschland - auch in Düsseldorf - brannten die Synagogen, jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden geschlagen, verhaftet, in Konzentrationslager verschleppt und ermordet, ihre Geschäfte geplündert, Wohnhäuser gebrandschatzt und Friedhöfe geschändet.

Es bleibt unsere besondere Verantwortung als Christen in diesem Land, gegen alles Vergessen-wollen, gegen die allfällige Forderung, endlich mal einen Schlussstrich zu ziehen, das Gedenken wachzuhalten. Deshalb laden Christen in Düsseldorf am Abend des 8. November 2015 zu einem Gedenkgang und einem Gedenkgottesdienst ein. Der Gedenkgang auf den Spuren der jüdischen Familie Neuberger beginnt um 18 Uhr ab dem Haus der Universität, Schadowplatz 14. Der anschließende ökumenische Gottesdienst startet um 19 Uhr in der katholischen Kirche St. Mariä Empfängnis an der Oststraße 14. Wirkliches Gedenken - das können wir nirgends besser beschrieben finden als in der hebräischen Bibel, im Alten Testament, etwa bei den Propheten. Wirkliches Gedenken angesichts einer von Menschen verursachten Katastrophe muss dazu führen, dass ein jeder mit sich ins Gericht geht. Er muss sich stellen. Dem Versagen ins Auge sehen.

Das kann nicht nur oberflächlich geschehen, darf sich nicht in Ritualen erschöpfen. "Zerreißt Euer Herz und nicht Eure Kleider", sagt der Prophet Joel denen, die umkehren wollen. Darin liegt die Verheißung dieses Tages: Nicht, dass wir Büßerminen aufsetzen. Sondern, dass wir mit aller Energie und Empathie die notwendige Wachsamkeit entwickeln, gegen jede Form von Rassismus, Menschenverachtung und Intoleranz.

Als christliche Kirchen und Gemeinden haben wir Verantwortung zu übernehmen angesichts unserer Geschichte. Zu dieser Verantwortung müssen wir uns bekennen, jede Generation aufs Neue.

(RP)
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