Düsseldorf Unter Zockern

Düsseldorf · Die Mehrheit der Düsseldorfer Spielhallen muss demnächst schließen. Ein Nachmittag im Bahnhofsviertel.

 Im Bahnhofsviertel gibt es zahlreiche Spielhallen, zum Teil direkt nebeneinander. Nach dem Glücksspielstaatsvertrag müssen viele von ihnen demnächst schließen.

Im Bahnhofsviertel gibt es zahlreiche Spielhallen, zum Teil direkt nebeneinander. Nach dem Glücksspielstaatsvertrag müssen viele von ihnen demnächst schließen.

Foto: Andreas Bretz

Wolfgang setzt auf die Sieben. Und ab und zu, da kommt sie auch. Nicht heute, aber neulich, da kam sie sogar zweimal hintereinander und beim zweiten Mal hat es "so richtig gekracht", weil Wolfgang 120 Punkte gesetzt hatte. Jetzt rollt die Kugel wieder, Wolfgang, Anfang 70, beugt sich über seinen Rollator, damit er in den Kessel schauen kann: "25, Rot, Ungerade", sagt der Automat. Wolfgang zuckt kaum merklich, wiederholt seinen Einsatz durch einen Druck auf den Plastikknopf. Es gibt noch zwei andere Spieler in der Halle an der Friedrich-Ebert-Straße und sie sehen nicht danach aus, als ob sie in ihrem Leben viel Glück hatten.

So ein Nachmittag in den Spielhallen des Bahnhofsviertels ist eine Reise in die Anonymität. Und auch wenn es hier Menschen gibt, die sich regelmäßig treffen, teilweise jahrelang schon, kann es gut sein, dass der eine den Namen des anderen nicht kennt. So sind auch in diesem Text alle Namen Pseudonyme, denn so sagt es einer der Spieler, "niemand ist stolz darauf, wenn er regelmäßig eine Spielhalle besucht". Dabei gibt es natürlich nicht nur die Spielsüchtigen hier, die ihre Rente oder ihr Hartz IV verzocken und sich bei Bekannten verschulden, um das verlorene Geld zurückzugewinnen. Viele in den Spielhallen schlagen schlicht die Zeit tot. Zumindest sagen sie das.

Wie Martina, eine etwa 40-jährige Frau mit osteuropäischem Akzent. Sie spielt in einer der Hallen, die zu einer großen Kette gehören, an deren Eingang der Besucher gescannt wird, in denen die Aufsicht mit Tabletts herumgeht und freundlich fragt, ob die Spieler einen Kaffee wollen. Martina hat keine Lust, in der Kälte zu stehen, während sie auf ihren Zug wartet. Sie pendelt, muss jeden Tag eine halbe Stunde überbrücken, manchmal verpasst sie aber auch den Zug, weil die Spielhalle mit ihren abgeschirmten Fenstern nicht nur ohne Tageslicht auskommt, sondern auch das Gefühl für die Zeit nimmt. Martina sagt, dass sie sich hier sicherer fühlt als draußen, weniger angequatscht, von Typen belästigt wird. Die Männer in der Halle haben ihre Automaten im Blick. Daneben liegen Flyer des Betreibers aus, die mit den Worten "Spielen gehört zum Leben wie Essen und Trinken" auf die Problematik der Spielsucht hinweisen und Beratungsstellen in der Region nennen. Eine Ecke weiter gibt es kleinere Spielhallen, die sich erst gar nicht bemühen, das Automatenspiel als einen harmlosen Zeitvertreib darzustellen, die ohne Teppichboden auskommen, ohne Softgetränke. In einer gibt es sechs Automaten, die von drei Leuten bestückt werden. Ein Aufseher wechselt Geld und raucht. Trotz des Rauchverbots. In einer anderen Spielhalle, kaum 100 Meter Luftlinie entfernt, bedient ein Paar die Automaten. Sie fragt ihn, ob er Zigaretten habe, er verneint, ohne den Blick vom Automaten abzuwenden. Kleingeld gibt er nicht, weshalb die Frau sich auszahlen lässt und auf die Straße zum Rauchen geht. Er sitzt hier seit 10 Uhr, sie ist später nachgekommen. Sie haben sich hier kennengelernt, das war vor drei Monaten, vielleicht wollen sie zusammenziehen. Er hat den Automaten neben sich freigehalten, was laut der Spielregeln der Halle eigentlich verboten ist. Doch so genau nimmt das hier keiner.

(RP)
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