Anja Steinbeck und David Klatt An der Uni muss man Kampfgeist haben

Düsseldorf · Die Rektorin der Heinrich-Heine-Universität und der Vorsitzende der Studierendenschaft sehen sich bei der Lösung von Problemen als Partner. Konstruktive Gespräche zu führen, statt unrealistische Forderungen zu stellen, ist den Studierenden wichtig.

 Die Studierenden seien mit ihren Forderungen realistischer geworden, sagt AStA-Vorsitzender David Klatt im Gespräch mit Anja Steinbeck.

Die Studierenden seien mit ihren Forderungen realistischer geworden, sagt AStA-Vorsitzender David Klatt im Gespräch mit Anja Steinbeck.

Foto: Anne Orthen

Das Büro der Rektorin ist kein Ort übertriebener Förmlichkeit. Anja Steinbeck, seit gut einem Jahr im Amt, und David Klatt, seit Sommer Vorsitzender des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA) und damit Vertreter von 30.000 Studierenden, sitzen ungezwungen in der Sitzecke. Auf dem Tisch neben der Rektorin liegt ein Exemplar von "Das Große Düsseldorf Lexikon" (Steinbeck arbeitete vor ihrer Amtszeit in Düsseldorf an der Uni Köln...). Bei der Anrede bevorzugt sie "Frau Steinbeck" statt "Eure Magnifizenz". Klatt hat gleich eine Prüfung, sieht aber entspannt aus.

Sie beide machen einen vertrauten Eindruck. Über welche Themen und Probleme tauschen Sie sich aus?

Steinbeck Das fängt an bei den Flüchtlingen, die wir an der Universität aufgenommen haben, und dem Engagement für sie, und geht weiter über die Senatsarbeit und Fragen, die die Lehre angehen.

Klatt Wir hatten jetzt zum Beispiel auch das Problem, dass in manchen Studienfächern die Bachelor-Zeugnisse erst mit mehrmonatiger Verzögerung ausgegeben wurden. Eine zusätzliche Stelle ist geschaffen worden. Man muss bei Forderungen aber realistisch bleiben: Manchmal kommen Situationen, an denen die Hochschulleitung nichts unternehmen kann.

Was ist das zurzeit für ein Thema?

Klatt Die von der Landesregierung geplanten Sparpläne. Das geht zu Lasten der Fakultäten und des Verwaltungspersonals. Und das begrüßen wir in der Studierendenschaft überhaupt nicht!

Steinbeck Der Landeszuschuss an die Hochschulen wird zwar nicht gekürzt, doch der Eigenanteil der Hochschulen beispielsweise an Bauvorhaben erhöht. Dieses Geld müssen wir aufbringen. Wir werden nicht gleich für 2016 den Rotstift ansetzen, aber Überlegungen anstellen müssen, wie wir in Zukunft mit höheren Ausgaben umgehen.

Bei Ihrem Amtsantritt hatten Sie schon angekündigt, zum Beispiel die Studienfächer zu überdenken. Wie weit sind Sie damit?

Steinbeck Wir schreiben gerade einen Hochschulentwicklungsplan. Dafür müssen alle Fakultäten ihre Planungen für die nächsten fünf Jahre offenlegen. Bei den Treffen kamen Überlegungen auf, Studiengänge zusammenzulegen. Mit Kunstmanagement hätte man etwa Betriebswirtschaft, Philosophie und Kunstgeschichte zusammen.

Was sind Ihre größten Erfolge bislang?

Steinbeck Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat einen neuen Sonderforschungsbereich im Bereich der Naturwissenschaften — genauer der Membranforschung — und zudem die Fortsetzung von zwei weiteren Sonderforschungsbereichen auf dem Gebiet der Leberforschung und im Bereich der Sprachwissenschaften bewilligt. Das ist der Ritterschlag in der Forschung! Außerdem gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Stadt, insbesondere mit Oberbürgermeister Geisel, sehr gut. Wir haben verschiedene gemeinsame Projekte, etwa im Bereich der Gründungsförderung. Auch das Festjahr mit den vielen Aktionen zu unserem 50-jährigen Bestehen hat geholfen, uns mehr ins Bewusstsein der Düsseldorfer zu rücken.

An der Heine-Uni hat sich die Zahl der Studierenden in wenigen Jahren auf 30.000 verdoppelt. Viele Gebäude werden aber saniert und sind daher ganz — wie zurzeit die Medizinischen Fakultät — oder teilweise geschlossen, wegen Polychlorierter Biphenyle (PCB), die als krebserregend gelten, oder wegen anderer Altlasten. Wie belastet das den Studienalltag?

Klatt Wir wollen mehr Räumlichkeiten, doch ich kann ja beim Rektorat nicht einfordern, mit der PCB-Sanierung aufzuhören. Das ist eine Entwicklung, die sich erst in den vergangenen Jahren gezeigt hat: dass die Studierenden gezielter mit ihren Forderungen werden und realistischer. Weil wir jetzt auch öfter miteinander sprechen und auf den Tisch gelegt wird, wie unsere Möglichkeiten sind. Bei der Raumproblematik gibt es zudem viele Stellgrößen, etwa Verzögerungen wegen des neuen FH-Campus in Derendorf.

Steinbeck Bisher konnten wir es vermeiden, dass wir samstags Vorlesungen halten müssen oder Vorlesungen in Zelte verlegen. Dafür kann es aber sein, dass man auch schon um 8 Uhr morgens zur Vorlesung kommen muss. Die Raumsituation wird sich bei uns erst entspannen, wenn die Hochschule Düsseldorf — also die ehemalige Fachhochschule — aus den Gebäuden auf dem Campus ausgezogen ist. Dafür muss jedoch zuerst der neue Hochschul-Campus in Derendorf fertiggestellt sein. Das hängt alles zusammen.

Der Campus dort wird vom landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) gebaut. Auch auf dem Uni-Campus geht es mit einem BLB-Bauprojekt nicht wie geplant weiter: Am Botanischen Garten herrscht seit der Grundsteinlegung im Herbst 2014 für den Bau eines mehr als 150 Millionen Euro teuren Forschungsgebäudes Stillstand.

Steinbeck Die Zusammenarbeit ist schwierig. Entscheidungswege beim BLB sind lang. Werden Budgets überschritten, beginnen Überlegungen wieder von vorn. Dann tagt das nächste Entscheidungsgremium erst in ungefähr acht Monaten. Dann wartet man wieder. Bis das vorbei ist, ist schon wieder alles teurer geworden. Es ist mühsam.

Frau Steinbeck, Sie haben mal gesagt, dass ein Student sich durchkämpfen können muss. Sie selbst hätten während Ihres Jura-Studiums an der Universität Mainz Seminare in unbeheizten Zelten besucht. Was meinen Sie dazu, Herr Klatt?

Klatt Das kann ich unterschreiben. Ich kann nicht in ein Studium reingehen und sagen: Ich lasse jetzt alle anderen für mich meine Lebensplanung übernehmen. Da muss ich Eigeninitiative zeigen und mich an den Konkurrenzdruck gewöhnen. Was ich am Bologna-Prozess und der Verschulung des Studiums kritisiere, ist, dass es dazu geführt hat, dass die Persönlichkeitsentwicklung und Horizonterweiterung im Studium deutlich abgesackt sind und das Studium von Studierenden nur noch als Berufsausbildung gesehen wird.

Ist das auch der Grund für das geringe Interesse der Studierenden an politischem Engagement oder Mitarbeit im AStA?

Klatt Die politischen Interessen unter der großen Anzahl an Studierenden ist diffus. Bei der Flüchtlingsproblematik ist es eher eine passive oder indirekte Position: Sie zeigen durch ihr Engagement eine gewisse Akzeptanz und Bereitschaft zur Integration. Und dann gibt es Themen, bei denen wir einen Konsens erreichen: die bessere Anbindung der Hochschule an den ÖPNV, die Verteuerung des Semestertickets durch den VRR und bei den von der Landesregierung erlegten Sparpläne. Wenn man sich im AStA engagiert und das mit dem nötigen Verantwortungsbewusstsein, bleibt das Studium auch für die Zeit auf der Strecke. Ein Vorteil ist, dass ich in einem höheren Semester bin und nur Vertiefungsmodule besuche.

Haben Sie sich als Studentin engagiert, Frau Steinbeck?

Steinbeck Nein, dafür hatte ich leider keine Zeit.

Das Alter der Studierenden wird durch die Verkürzung des Abiturs immer jünger. Wie klappt die Integration der Minderjährigen?

Klatt Ich studiere Biologie und da ist es oft so, dass wir viele Studienanfänger haben, teilweise 16 oder 17 Jahre alt, die überhaupt nicht wissen, was sie im Studium erwartet: Die vergleichen das Biologie-Studium mit ihrem Biologie-Leistungskurs an der Schule und sind dann teilweise überrascht und überfordert. Daher haben wir mehr Studiengangwechsler und -abbrecher als vorher. Aber da gibt es nun Abhilfe, etwa durch das Kooperationsprojekt "Move!" mit der Agentur für Arbeit, bei dem Beratungen durchgeführt werden.

Steinbeck Wir werden uns zudem mit einem Teil der ca. 9 Millionen Euro, die wir über ein Förderprogramm von Bund und Ländern bekommen, weiter darum bemühen, die Studienanfänger gut zu beraten, also schon vor dem Studium und dann auch über die gesamte Studiendauer hinweg. Bei den Lehrinhalten denken wir zudem darüber nach, die Studiengänge in der Anfangsphase offener zu gestalten.

Wie meinen Sie das?

Steinbeck Die Studierenden werden immer jünger. Sie können bei Studienbeginn zum Teil nicht mal Verträge wirksam abschließen, sollen sich aber dezidiert entscheiden, was sie studieren möchten. Hier wäre eine Orientierungsphase hilfreich und sinnvoll. Aber natürlich kann man das Curriculum nicht von einem Semester aufs andere ändern.

Was wollen Sie bis nächsten Sommer erreicht haben, Herr Klatt?

Klatt Wir möchten das Ehrenamt der Studierenden forcieren und Flüchtlingen bei der Aufnahme des Studiums helfen, sind dabei aber an Nachhaltigkeit interessiert. Wenn wir das Gefühl haben, etwa bei den Sparplänen auf Granit zu beißen, können wir uns eine Demonstration vorstellen, wenn sie konstruktiv und zielführend ist. Und wir brauchen bezahlbare Wohnungen für Studierende. Ich suche gerade auch eine.

Herr Geisel hat beim Festakt zur 50-Jahr-Feier versprochen, sich dafür stark zu machen.

Klatt Dann würde sich die Stadt auch mehr durch Studierende prägen lassen!

Semiha Ünlü führte das Gespräch.

(semi)
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