Ständehaus-Treff in Düsseldorf Ukraine-Krise: Frank-Walter Steinmeier warnt vor Wirtschaftskrieg

Düsseldorf · Beim Ständehaus-Treff in Düsseldorf sprach Außenminister Frank-Walter Steinmeier über die Ukraine-Krise, die Agenda 2010 und sein Verhältnis zu Gerhard Schröder. Mehr als 500 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur hörten dem 58-Jährigen zu.

Frank-Walter Steinmeier zum zweiten Mal im K 21
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Er ist seit Wochen der beliebteste deutsche Politiker — doch momentan dürfte das Frank-Walter Steinmeier nur am Rande interessieren. Was den Bundesaußenminister derzeit in seinen weltweiten Aktivitäten umtreibt, ist die Sorge um den Frieden, die Auseinandersetzungen in der Ukraine. Und hier nimmt Deutschland in der Konfliktlösung eine führende Rolle ein. Ein entscheidendes Datum ist der 25. Mai, wenn die Ukrainer ihren Präsidenten wählen. Es könnte der Auftakt zu weiteren Sanktionen der Europäischen Union sein, sollten prorussische Kräfte, unterstützt von Kremlchef Wladimir Putin, die Wahl massiv stören.

Wie stark die Ukraine-Krise den deutschen Außenminister betrifft, wurde auch beim 59. Ständehaus-Treff in Düsseldorf deutlich. Im Gespräch mit RP-Chefredakteur Michael Bröcker sagte Steinmeier: "Es geht darum, das Schlimmste zu verhindern." Der Außenminister warnte ausdrücklich vor einem Wirtschaftskrieg zwischen der EU und Russland. "Wir müssen gegenseitig steigende Wirtschaftssanktionen nach Möglichkeit vermeiden. Wirtschaftssanktionen sind kein Selbstzweck", sagte Steinmeier. "In dem Moment, in dem wir in einen Wirtschaftskrieg eintreten, wird der Schaden in Europa gleichmäßig verteilt", sagte er. Viele osteuropäische Staaten, die mehr Sanktionen forderten, unterschätzten die eigenen Außenhandelsbeziehungen, die sie mit Russland hätten.

Steinmeier nimmt Schröder in Schutz

Den früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder, der für seine Umarmung mit Putin und seine Nähe zu ihm viel kritisiert wird, nahm Steinmeier ausdrücklich in Schutz. "Es gibt viele Dinge, über die ich mich im Moment ärgern kann, darüber mit Verlaub nicht." Schröder habe kein öffentliches Amt mehr und sei ein freier Mann. Darüber, dass Schröder in St. Petersburg war, sei er informiert gewesen, sagte Steinmeier.
In diesen Tagen ist der Minister quasi rund um die Uhr mit der Ukraine-Krise befasst, auch die Wochenenden werden durchtelefoniert. Die meisten Deutschen finden es gut, dass Steinmeier es macht. Der 58-Jährige, der schon von 2005 bis 2009 Außenminister war, ist der beliebteste Politiker nach Kanzlerin Angela Merkel.

Auch Persönliches und Biographisches erfuhren die Gäste beim Ständehaus-Treff über den Außenminister. So beschrieb er kurz, wie es zur Spende einer Niere an seine Frau gekommen ist. Er sprach auch über seine Prägung in Ostwestfalen, seine Studentenzeit und seinen Weg in die Politik. "Ich wollte mich nicht ins Kämmerchen setzen und habilitieren." Auch deshalb bewarb er sich in den Staatskanzleien in Düsseldorf und Hannover.

Schließlich entschied er sich für Hannover und begann dort seine 15 Jahre "enge Zusammenarbeit" mit Schröder. Steinmeier erzählte auch von der schwierigen Zeit zu Beginn der rot-grünen Bundesregierung. "Wir haben um unser Überleben gekämpft." Abends habe man sich dann mit Six Packs und Chips an der Tankstelle versorgt und noch bis in die Nacht geredet.

Erneute Reise in die Ukraine

Politisch berichtete Steinmeier auch, warum die Agenda 2010 Anfang des Jahrhunderts unausweichlich war: "Wenn der Finanzminister mit solchen Posten kommt, wie die Streichung des hälftigen Mehrwertsteuersatzes, dann wissen Sie, da ist Ende." Innerhalb von zehn Jahren sei Deutschland unter anderem durch die Agenda vom letzten auf den ersten Platz in Europa geklettert. "Diese Anstrengung in Europa ist einzigartig."

Am Dienstag will Steinmeier wieder in die Ukraine reisen und dort die Verhandlungen über den geplanten runden Tisch beginnen. Dort muss der Außenminister ausloten, wer zu der Runde dazu kommen kann, wer gesprächsbereit ist, wer akzeptiert wird. Der deutsche Top-Diplomat Wolfgang Ischinger soll den runden Tisch leiten.

Steinmeier betonte, dass niemand mit an dem Tisch sitzen könnte, der selbst Blut an den Händen habe. Ob er auch in den umkämpften Osten des Landes fährt, ist allerdings noch offen.

(qua)
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