Serie Mein Laden Uhrmachermeister in dritter Generation

Düsseldorf · Juwelier Nölle an der Münsterstraße 90 in Derendorf gibt es seit mehr als 50 Jahren. Chef Jörg Nölle fährt immer noch in alle Stadtteile, um alte Wand- oder Standuhren von Senioren zu reparieren.

 Uhrmachermeister Jörg Nölle hat mit Laden und Werkstatt an der Münsterstraße eine Nische besetzt.

Uhrmachermeister Jörg Nölle hat mit Laden und Werkstatt an der Münsterstraße eine Nische besetzt.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Derendorf Seit Heinz Kieven seine Metzgerei auf der Münsterstraße aufgegeben hat, gibt es wohl kein traditionsreicheres Geschäft als Juwelier Nölle in Derendorf. Am 19. November 1964 öffneten Wilhelm und Brigitte Nölle erstmals die Ladentüren an der Hausnummer 90. "Anfangs hätten sie sich sehr erschrocken, wenn tatsächlich die Türglocke ging", berichtet Jörg Nölle von den Schilderungen seiner Eltern. Bereits sein Opa war Uhrmachermeister mit einem Geschäft am Wehrhahn - so viel zum Thema Familientradition. Als das baufällige und zu weit vorne stehende Haus an der Münsterstraße in den 1980er Jahren einmal komplett abgerissen und wieder neu aufgebaut werden musste, überbrückten die Nölles die Vakanz, indem sie Verkauf und Reparatur einfach in die Privatwohnung verlegten.

Das mag lange her sein, aber diese ebenso pflichtbewusste wie auch ein wenig arbeitswütige Einstellung legt Jörg Nölle, der vor acht Jahren (offiziell) den Laden von seinen Eltern übernahm, auch heute noch an den Tag. "Ich fahre nach wie vor bis nach Benrath, Kaiserswerth oder Angermund, hole dort die kaputten antiken Wand- oder Standuhren alter Omis kostenlos ab, repariere sie bei mir in der Werkstatt und bringe sie dann natürlich auch wieder zurück", nennt der 48-Jährige ein durchaus anschauliches Beispiel und fügt hinzu: "Das macht doch heute keiner mehr." Recht hat er wohl. Beharrlichkeit ist für ihn eine Selbstverständlichkeit, und wenn Nölle einmal den Fehler nicht findet, baut er die Uhr eben noch ein fünftes Mal auseinander. "Das ist manchmal wie die berühmte Stecknadel im Heuhaufen. Es geht nun mal um Hundertstel, bisweilen tausendstel Millimeter." Aufgeben gibt es nicht, das war schon so, als er zu Jugendzeiten Spaß daran fand, Uhren im elterlichen Betrieb zu reparieren. Der Ausbildungsweg war vorgezeichnet, bei der Gesellenprüfung war er längst mit allem fertig, als andere noch herumdilettierten. Ein Streber könnte man meinen. Ein Perfektionist würde er wohl selbst sagen.

Und ehrliche Arbeit muss auch angemessen entlohnt werden. Beklauen lässt sich der Uhrmachermeister nicht so gerne. Zweimal hatten Diebe bereits in früheren Jahren in das elterliche Geschäft eingebrochen, einmal zahlte die Versicherung nicht, und die Familie stand vor kurz vor der Aufgabe. Die Nölles haben auch diese Zeit überstanden, aber als der Junior-Chef dann eines Tage selbst Opfer eines Räubers wurde, lief er hinterher. "Das war wie im Krimi, es ging über mehrere Autos, bis ich ihn zu packen bekam." Nölle hat damals ein bisschen geboxt. Nur so viel: Der Dieb war froh, als die Polizei kam.

Längst hat sich das Juweliergeschäft breit aufgestellt. Er kümmert sich um die Uhren, seine Schwester Birgit Nölle-Vogel ist die Fachfrau für den Schmuck. "Wir reparieren alles von A bis Z, ändern Erbstücke um, erstellen ganz neuen Schmuck, reinigen, gravieren, polieren oder tauschen nur die Batterie aus", zählt Nölle auf. Und natürlich gibt es einen Online-Shop.

Wobei es oft genug an Altem fehlt. "Ersatzteile für Biedermeier-Uhren sind zum Beispiel nur sehr schwer zu finden", sagt der 48-Jährige. Daher schmeißt er nichts weg. All die kleinen Zugfedern, Aufzugwellen, Unruhwellen, die zum Teil noch vom Opa stammen, sammeln sich zu Tausenden in den Schubläden seiner Werkstatt. Er könnte mit seinem Hintergrund auch in einem schicken Laden auf der Kö arbeiten. Aber das will Jörg Nölle nicht. Er macht lieber weiter in dem kleinen Laden an der Münsterstraße, wo er sein eigener Chef ist. Und die Zeit für ihn spielt.

(RP)
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