Düsseldorf Trommler Pinocchio zieht in einen düsteren Krieg

Düsseldorf · Eine ganz dunkle Geschichte erzählen half past selber schuld, das Künstler-Duo aus Düsseldorf, dieses Mal. Wir kennen Pinocchio, die Holzpuppe, die zum Leben erwacht und deren Nase an Länge zunimmt, wenn sie lügt. Aber der Pinocchio, der in diesem Bühnen-Comic durch das Leben stolpert, den kennen wir nicht. Am Anfang des einstündigen Stücks kommt uns noch manches vertraut vor. Da mahnt Jimmy, die Grille, den Jungen, der nicht zur Schule gehen will. "Du bist eben ein Hampelmann . . . und ein Holzkopf." Darauf taucht ein riesiger Zeigefinger aus der Dunkelheit auf und zerquetscht die Grille.

 Einmal trifft Pinocchio sogar einen Soldaten mit Kanonenrohr als Kopf.

Einmal trifft Pinocchio sogar einen Soldaten mit Kanonenrohr als Kopf.

Foto: FFT

Damit ist der Ton angeschlagen - ein düsterer. Vom Waisenhaus aufs Schlachtfeld in den Zirkus, das sind die Leidensstationen des Pinocchio Sanchez, der wie ein Simplicissimus durchs Leben stolpert, zunächst ein fast normaler Junge, kleinwüchsig, der für sein Leben gern trommelt, aber nicht Oscar heißt. Zunächst schlägt das Schicksal in Form eines Pferdehufs zu, der ihm die Nase zertrümmert. Im Krieg zerschmettert eine Kanonenkugel seine Beine. Ein verrückter Wissenschaftler ersetzt Nase und Beine durch Prothesen, im Zirkus findet er kurzes Glück als Freak.

Das alles haben half past selber schuld meisterhaft in Szene gesetzt, wie immer werden ihre Puppen von schwarz verhüllten Gestalten gespielt, so dass sie sich wie von selbst im Raum bewegen. Auf eine Recherchereisereise in die USA haben sich die Macher Frank Römmele und Ilanit Magarshak-Riegg zuvor begeben, noch ausdruckstärker scheinen nun die Masken, noch bezwingender die Bildsprache.

Wenn einer der Assistenten in Schwarz in der Schlacht ein Kanonenrohr als Kopf trägt, dann ist das nur eines von vielen fast surrealen Bildern. Und wenn sich der versehrte Pinocchio an einem Laternenmast vorbeischleppt, an dem ein früherer Saufkumpan hängt, wird es ganz traurig. "Lass uns mal wieder einen trinken gehen", flüstert der Verletzte wirr. Düster und packend, keine Kindergeschichte mehr. Begeisterter Applaus für eines der besten Stücke in der Geschichte von half past selber schuld.

Termine 17., 18. (Nacht der Museen), 23. und 25. April um 20 Uhr, FFT Kammerspiele, Jahnstr. 3. Tickets Tel. 8767870.

(RP)
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