Prozess in Düsseldorf "Ich will nicht einen Tag länger für Lau im Gefängnis sitzen"

Am Mittwoch hat im Prozess gegen den Salafistenprediger Sven Lau der Kronzeuge ausgesagt. Ismail I. ist einer der beiden Kämpfer, die Lau in eine Kampfeinheit nach Syrien vermittelt haben soll. Doch die Richter zweifeln an ihm.

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Salafistenprediger Sven Lau beim Prozessauftakt in Düsseldorf

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Foto: dpa, fg pil

Dynamisch und auch etwas aufgedreht wirkt Ismail I., als er von zwei Justizbeamten in den Gerichtssaal geführt wird. Er blickt hinüber zur Anklagebank, auf der vor ihm der Salafistenprediger Sven Lau Platz genommen hat. Und Lau blickt rüber zu ihm, grinst vor sich hin. Lau feixt fast, als er Ismail I. sieht, der akkurat gekleidet in einem blauen Anzug und hellblauem Hemd mit Krawatte erscheint.

Gut die Hälfte der Prozesstage sind rum, bisher taugten die Zeugenaussagen wenig bis gar nichts. Viele Zeugen haben gar keine Aussage gemacht, weil sie sich selbst nicht belasten wollten. Das ist nun anders. Auf Ismail I. haben alle gewartet: Der Bundesanwalt, die Richter und auch Lau und sein Anwalt Mutlu Günal. Günal hatte I. vor Beginn des Prozesses im September noch als "notorischen Lügner" bezeichnet und damit den Versuch unternommen, den Zeugen der Anklage zu diskreditieren.

Alle wissen um die Bedeutung von Ismail I.. Und I. ist sich seiner Rolle auch bewusst. "Es ist gefährlich, was ich heute hier mache", sagt er am Mittwochnachmittag in der Verhandlung. "Wir haben Herrn Lau, der mich angrinst, und wir haben Leute im Publikum, die nicht begeistert sind, von dem, was ich sage." Damit meint Ismail I. Unterstützer des Salafistenpredigers aus der Gladbacher Szene. Einer von ihnen ruft zwischendurch "Der lügt doch."

Ismail I. ist der Mann, der Lau im schlimmsten Fall ins Gefängnis bringen kann. Der 26-Jährige verbüßt gerade selbst eine Haftstrafe in der JVA Schwäbisch-Hall. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat ihn im März 2016 zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt — wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Syrien. Es handelt sich dabei um eben jene Kampfgruppe "Jamwa", zu der Sven Lau zwei Männer geschickt haben soll und die er mit Geld, Nachtsichtgeräten und Hilfskonvois unterstützt haben soll. Deswegen wird Lau vor dem Düsseldorfer OLG der Prozess gemacht. "Jamwa" - das bedeutet auf Deutsch "Armee der Auswanderer und Unterstützer". Diese Kampfgruppe soll sich nach Erkenntnissen der Ermittler dem IS angeschlossen haben.

Der 26-Jährige sagt vor Gericht aus, er habe Lau im Sommer 2013 auf einer Pilgerfahrt nach Mekka kennengelernt. Dort hätten sich die beiden über Laus Syrienreise unterhalten, die kurz vorher stattgefunden hatte. Lau soll I. auch von seinem besten Freund Konrad S. erzählt haben, der in Syrien die deutschsprachige Einheit der "Jamwa" anführte. "Ich habe Lau gesagt, dass ich das auch will", sagt Ismail I. vor Gericht. "Lau hat mich ermutigt." Er spricht klar, schwäbelt ein bisschen und gestikuliert viel.

Zurück in Deutschland soll Lau kurze Zeit später I. nach Mönchengladbach eingeladen haben. Er habe I. angeboten, ihn auf einen Hilfstransport seines Vereins "Helfen in Not" nach Syrien mitzunehmen und ihn auf diese Weise in die Kampfgruppe zu bringen.

Doch der Transport sei geplatzt, sagt I.. Der Zeuge ist sich sicher, dass Lau das bereits gewusst habe, bevor er ihn nach Gladbach einlud. Ismail I. meint, dass er von Lau manipuliert wurde. Dass Lau ihm das mit dem geplatzten Hilfstransport absichtlich erst in Mönchengladbach gesagt hat, damit er keinen Rückzieher machen konnte. "Da war ich schon von meiner Familie getrennt und hatte das schlimmste hinter mir."

Lau soll einen Schleuser angerufen haben

Statt eines Hilfstransports soll Lau seinen Freund Konrad S. in Syrien angerufen haben, um ihm Ismail I.s Kommen anzukündigen. "Ich bürge für ihn", soll Lau am Telefon zu Konrad S. gesagt haben. Nach dem Telefonat soll Lau einen Schleuser angerufen haben, der I. aus dem türkisch-syrischen Grenzgebiet nach Syrien in das Trainingslager der "Jamwa" bringen sollte. Danach traf Ismail I. Konrad S.. So zumindest sagt er es am Mittwoch vor Gericht aus.

Er sei Mitglied der deutschsprachigen "Jamwa"-Einheit unter Führung von Konrad S. geworden. Soweit betreffen die Aussagen Ismail I.. Er spricht aber auch über einen zweiten Mann aus dem Dunstkreis von Sven Lau und der Mönchengladbacher Salafistenszene. Zoubier L. soll auch von Gladbach aus über Laus Verbindungen zu der IS-nahen Terrormiliz gekommen sein. Er soll dort aber nur drei Tage geblieben sein, weil er nicht in die Kampfeinheit aufgenommen wurde. Lau habe ihn wieder mit nach Deutschland genommen, sagt Ismail I.

Die Rede ist auch von einem dritten Mann aus der Gladbacher Szene. Er soll Mitglied in Laus Verein "Helfen in Not" gewesen sein und Ismail I. bei der Ausreise begleitet haben. Doch der Begleiter machte in der Türkei kurz vor der Einreise nach Syrien einen Rückzieher. I. deckt auch auf, dass der Verein "Helfen in Not" unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe Strukturen aufgebaut hat, um Salafisten zur Ausreise zu verhelfen.

Über die Motive Laus, Kämpfer nach Syrien zu schicken, sagt Ismail I., Lau sei davon "besessen" gewesen, seinen Beitrag in Syrien zu leisten. Auch um Laus Rolle in der Kampfeinheit geht es. Lau sei zu feige gewesen, um als Kämpfer für die Jamwa anzuheuern. "Er war ein Mann der Worte und nicht der Taten", sagt Ismail I. Lau sei aber stets ein "gern gesehender Gast" im Lager der "Jamwa" in Syrien gewesen. "Man könnte ihn als Helfershelfer bezeichnen", sagt der 26-Jährige.

Lau reagiert mit Stirnrunzeln

Wenn I. über Lau spricht, runzelt dieser manchmal die Stirn, so dass eine tiefe Furche über den Augenbrauen entsteht. Lau schreibt viel mit, schüttelt bei manchem den Kopf. Manchmal sitzt er mit verschränkten Armen da und bewegt die Finger. Vielleicht würde er gerne etwas zu Ismail I. sagen.

Der jedenfalls hätte nichts gegen eine Frage von Sven Lau. Das sagt er, als der Vorsitzende Richter nach dem "Warum" fragt. Schreiber will wissen, warum Ismail I. erst jetzt so ausführlich aussagt. Vieles von dem, was Ismail I. im Lau-Prozess aussagt, hat er bisher verschwiegen.

Derzeit wird entschieden, ob Ismail I.s Strafe nach zwei Dritteln der Haft zur Bewährung ausgesetzt wird. Damit könnte der Sinneswandel des Zeugen zusammenhängen. Der Vorsitzende Richter hat Zweifel an dem Zeugen. Nicht zuletzt liegt das daran, dass ein Gutachter in dem Prozess gegen Ismail I. bei dem Syrienrückkehrer eine "histrionische Persönlichkeitsstörung" festgestellt hat. I. strebe nach Aufmerksamkeit und Anerkennung und neige zu theatralischem Verhalten.

I. distanziert sich von Lau

Doch Ismail I. will das nicht gelten lassen. Er bedauere es sehr, dass die Frage nach dem "Warum jetzt?" nicht von Lau komme. "Ich distanziere mich von dieser Ideologie und von Herrn Lau", sagt er. Nach der Verhaftung sei es ihm darum gegangen, möglichst gering bestraft zu werden und niemanden mit hineinzuziehen. Doch die Szene habe ihn "zum Abschuss freigegeben". Er gelte nun als Verräter. "Ich will für Herrn Lau nicht einen Tag länger im Knast sitzen." Der Richter hakt ein ums andere Mal nach. Doch I. lässt sich nicht beirren. "Ich schulde niemandem was und niemand schuldet mir etwas."

(heif)
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