Düsseldorf Streit um Zahnuntersuchungen für Kinder wird schärfer

Düsseldorf · Die Stadt hat die Zahl der Reihenuntersuchungen bei Kindern auf rund 12.000 pro Jahr halbiert und hält das für vertretbar. Widerspruch kommt aus der Politik, aber auch Zahnärzte halten den Verzicht für "eine Katastrophe".

 Andreas Meyer-Falcke ist gegen die vollständige Untersuchung ganzer Jahrgänge.

Andreas Meyer-Falcke ist gegen die vollständige Untersuchung ganzer Jahrgänge.

Foto: Endermann Andreas

Die Auseinandersetzung um die Zahngesundheit der Düsseldorfer Kinder wird nach der Sommerpause in eine weitere Runde gehen. Anlass ist der Verzicht auf jährlich Tausende Untersuchungen, die bislang von Zahnärztinnen des städtischen Gesundheitsamts bei Jungen und Mädchen zwischen zwei und zwölf Jahren vorgenommen wurden. Wichtigster Grund für den Einbruch ist eine seit beinahe zwei Jahren vakante Stelle, die Gesundheitsdezernent Andreas Meyer-Falcke möglicherweise auch in Zukunft nicht mehr besetzen will.

 CDU-Mann Andreas-Paul Stieber kritisiert Meyer-Falcke.

CDU-Mann Andreas-Paul Stieber kritisiert Meyer-Falcke.

Foto: Endermann Andreas

Deutliche Kritik auch von SPD-Bürgermeisterin Zepuntke

"Das mag zwar zum Sparkonzept Verwaltung 2020 passen, aber nicht zu einem angemessenen Umgang einer prosperierenden Metropole mit ihren Kindern", kritisiert Andreas-Paul Stieber, jugendpolitischer Sprecher der CDU, die Entwicklung.

Auch Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke, die für die SPD im Gesundheitsausschuss sitzt, begegnet der Argumentation von FDP-Mitglied Meyer-Falcke, der die flächendeckende und vollständige Untersuchung ganzer Geburtsjahrgänge weder für zeitgemäß noch für fachlich geboten hält, mit Skepsis. "Ich selbst war bei so einer Untersuchung, bekam einen Zettel in die Hand und kurz darauf meine Zahnspange", sagt Zepuntke. Dass eine gute Zahngesundheit von Kindern tatsächlich auf andere Art und Weise gesichert werden kann, müsse der Dezernent besser belegen. "Überzeugt bin ich noch nicht. Das Thema gehört erneut auf die politische Tagesordnung", sagt Zepuntke.

"Man muss nicht Kinder der gesamten Stadt untersuchen"

Derweil bleibt der städtische Spitzenbeamte, der selbst Mediziner ist, bei seinen Argumenten. 90 Prozent der Düsseldorfer Kinder hätten keine Karies, das Gros jener, die unter dem Problem litten, lebe in bestimmten Sozialräumen. "Auf diese Standorte kann man sich konzentrieren, man muss deshalb nicht die Kinder der gesamten Stadt amtsärztlich untersuchen", sagt er.

Um zu klären, wo genau Handlungsbedarf besteht, könnten zudem anonymisiert weitergegebene Diagnosedaten der Krankenkassen kleinräumig ausgewertet werden. Hinzu komme, dass in Düsseldorf 470 niedergelassene Zahnärzte arbeiteten und die Arbeitsgemeinschaft Zahngesundheit der Krankenversicherungen 10,5 Stellen in der Karies-Prophylaxe des Gesundheitsamtes finanziere.

Zahnärztin: Wegfall verpflichtender Reihenuntersuchungen "eine Katastrophe"

Doch nicht nur Politiker kritisieren Meyer-Falcke. Christina Overbeck, bei den "Pluszahnärzten" Leiterin der Kinderzahnarzt-Praxis, hält den Wegfall verpflichtender Reihenuntersuchungen "für eine Katastrophe". 80 Prozent aller Kariesfälle stelle sie "bei jenen 20 Prozent der Kinder fest, die offenbar noch nie in einer Zahnarztpraxis waren".

Hier auf neue statistische Verfahren oder mehr Eigenverantwortung von Eltern zu setzen, hält sie für "grundfalsch". Vor allem Familien mit sozialen Problemen und auch solche mit Migrationshintergrund müssten die Kürzungen ausbaden. "Alleine in unserer Praxis behandeln wir jede Woche mindestens zehn Kinder, die nach der Reihenuntersuchung mit dem Zettel vom Gesundheitsamt in der Hand vor uns stehen. Viele davon wären wohl nicht von alleine gekommen."

(jj)
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