Serie So wohnt Düsseldorf "Stoff fördert das Glücklichsein"

Düsseldorf · Ein Verein aus Düsseldorf macht sich dafür stark, dass Gardinen, Vorhänge und Polstermöbel ihr angestaubtes Image verlieren.

 Karsten Brandt ist der Initiator des Vereins Textile Räume und der Geschäftsführer des Deutschen Tapeteninstituts. Beide haben ihren Sitz an der Berliner Allee.

Karsten Brandt ist der Initiator des Vereins Textile Räume und der Geschäftsführer des Deutschen Tapeteninstituts. Beide haben ihren Sitz an der Berliner Allee.

Foto: Deutsches Tapeteninstitut

Wenn Einrichtungsexperten wie Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie von Gemütlichkeit sprechen, meinen sie ein Lebensgefühl. Der Mensch wolle zu Hause durchatmen können, sich zurückziehen von Stress und Hektik des Alltags, erklärt Geismann. Entschleunigung zu Hause ist das Zauberwort. Also Kuscheln statt Klotzen. "Und was verstärkt das Gemütlichkeitsgefühl mehr als Farben, Tapeten, Kissen und Stoffe?", fragt Karsten Brandt, der Mann, der sich von Berufs wegen täglich mit der besseren Vermarktung von Textil und Tapeten beschäftigt - und das in Düsseldorf.

Nicht ohne Grund hat der gebürtige Hamburger die Landeshauptstadt als Vereins-Zentrale für Stoffe und Tapeten ausgesucht. "Der Standort ist geografisch ideal, denn anders als im Süden, wo es wärmer ist und die Wände meist weiß gehalten sind, sind der Westen und der Norden Deutschlands traditionell Tapeten- und Textilland", erklärt er.

Hauptgründe seien allerdings vor allem folgende Tatsachen: Düsseldorf ist eine wachsende Stadt. Der Wohnungsmarkt boomt, viele Bauprojekte werden realisiert. Zahlreiche Wohnungen müssen neu eingerichtet werden. Die Kaufkraft ist hier besonders hoch und Lifestyle spielt eine große Rolle. "Stoff ist ein soziales Thema", erklärt Brandt. So wie früher, als den Fürsten und Königen Vorhänge, Polstermöbel und Kissen als Statussymbole dienten, sei auch heute noch guter Stoff nicht günstig. Klar könne man Fertig-Gardinen aus Indien und China preiswert kaufen, aber die Produkte seiner Mitgliedsfirmen rangierten im oberen Bereich der Branche.

Und weil laut einer Erhebung des Marktforschers Regio-Data immer mehr Geld fürs Einrichten ausgegeben wird und die Deutschen 2015 pro Kopf knapp 580 Euro in Möbel sowie Heimtextilien investierten, will das Vereins-Netzwerk Textile Räume auch die Nachfrage nach Wohn- und Einrichtungsstoffen deutlich fördern. Die Lust auf textiles Einrichten soll neu entfacht werden. Man will sich zudem für den Beruf der Raumausstatter starkmachen.

"Da ist noch viel Luft nach oben", sagt Brandt. Denn Textil sei in den vergangenen Jahren ein wenig aus der Mode gekommen, Omas Blümchenvorhang oft verpönt, und in den funktionalen Neubauten finde sich oft gar keine Vorrichtung mehr für Gardinen. Dabei sind - so Brandt - Wohntextilien mehr als nur eine schöne Optik: Sie geben Atmosphäre und verbessern das Raumklima. Sie bieten Sichtschutz und Schalldämmung. Heimtextilien schlucken den Schall hochhackiger Pumps auf glattem Parkett, mildern das Kreischen tobender Kinder ab und dämpfen laute Musik aus aufgedrehten Stereoanlagen. Und im Gegensatz zur Schalldämmung, die meist bauliche Veränderungen verlangt, sind Textilien flexibel und unkompliziert einsetzbar und lassen sich nach Lust und Laune austauschen.

Als Gegentrend zur digitalisierten Welt mit ihren glatten Smartphones und Tablets sehen Wohnexperten wie Ursula Geismann die wachsende Sehnsucht auch gerade bei jungen Leuten nach haptischen Erlebnissen, nach Textilien zum Anfassen. Wohnpsychologe Uwe Linke ist sogar der Meinung, Stoff - egal ob bunt, gestreift, geblümt oder abstrakt gemustert - "fördert das Glücklichsein in den eigenen vier Wänden".

Textilien vermitteln seiner Meinung nach in hohem Maße das Gefühl der Geborgenheit, weil der Hautkontakt mir Stoffen ähnliche sensorische Reize auslöst wie das Anfassen der Haut. "Etwas Weiches und Angenehmes zu berühren, berührt uns selbst und führt zu positiven Gefühlen", betont Linke.

Statt weißer Wände verstärken offenbar auch Tapeten das Gefühl von Behaglichkeit. So geben in der neuesten repräsentativen Studie von TNS Infratest nicht nur fast die Hälfte der Befragten an, die eigenen vier Wände seien ihnen heute wichtiger als früher, sondern auch, dass ein Tapetenwechsel gefragt ist: Rund zwei Drittel der Befragten haben bei ihrer letzten Renovierung Tapeten geklebt. Das sind laut Studie 16 Prozent mehr als vor 15 Jahren.

"Tapezieren ist wieder in", sagt Karsten Brandt, zugleich Geschäftsführer des Tapeten-Instituts in Düsseldorf. "Früher wurde tapeziert, weil die Wände renovierungsbedürftig waren, heute weil man Lust auf Neues hat." Dabei scheint der nüchterne, funktionelle Wohnstil aus der Mode gekommen zu sein. Anstelle von langweiliger Raufaser sei die Kombination von unifarbigen und gemusterten Tapeten angesagt. Stoffe und Tapeten machen das Leben bunter.

(RP)
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