Vennhausen Der frühe Tod des Anton Rosinke

Vennhausen · Der Schmied war eine schillernde Figur im Widerstand gegen die NS-Diktatur. Seine Heimat: die Siedlung Freiheit in Vennhausen.

 Der Stolperstein wurde vor seinem ehemaligen Wohnhaus verlegt.

Der Stolperstein wurde vor seinem ehemaligen Wohnhaus verlegt.

Foto: Marc Ingel

Was bleibt ist die Erinnerung, und die ist positiv. Es ist nicht immer das große Ganze, sondern es sind oft die Kleinigkeiten, die eine Rolle spielen. Wie jetzt bei der Verlegung eines Stolpersteins für Anton Rosinke vor seinem alten Wohnhaus an der Friedrich-Engels-Straße 14. Dabei kam der Nachbar aus Nummer 12 heraus und erzählte lebhaft, wie kinderlieb Rosinke gewesen sei. Er schilderte eine typische Situation: "Die Kinder der Siedlung Freiheit spielten laut auf der Straße, und Anton nahm sie vor dem Zorn der Erwachsenen, die sich durch den Lärm gestört fühlten, in Schutz." So etwas vergisst man nicht.

 Anton Rosinke wohnte an der Friedrich-Engels-Straße 14.

Anton Rosinke wohnte an der Friedrich-Engels-Straße 14.

Foto: M. Ingel

Anton Rosinke wurde am 14. Februar 1937 in der Gestapohaft am Jürgensplatz, vier Wochen nach seiner Festnahme, totgeschlagen. Er und sein Schwiegersohn, Ernst Binder, waren Anarcho-Syndikalisten. Das hat nur bedingt etwas mit dem heutigen Verständnis eines Anarchisten zu tun. "Es war eine lebendige politisch-soziale Kultur mit zahlreichen Organisationen, die mit dem sozialdemokratischen oder kommunistischen Milieu durchaus vergleichbar waren", wird diese Einstellung in einem DGB-Stadtführer zu Verfolgung und Widerstand während der NS-Diktatur durchaus zutreffend beschrieben.

 Anton Rosinke wurde nur 55 Jahre alt. Beim Verhör in Gestapohaft wurde der Anarchist ermordet.

Anton Rosinke wurde nur 55 Jahre alt. Beim Verhör in Gestapohaft wurde der Anarchist ermordet.

Foto: Mahn- und Gedenkstätte

Jedenfalls: Rosinke und Binder leisteten von 1933 bis Anfang 1937 in einem Netz von Gleichgesinnten den riskanten Widerstand im Untergrund. Sie druckten illegale Schriften, schleusten Flüchtlinge und (ab 1936) auch Freiwillige für den spanischen Bürgerkrieg ins Ausland. Ernst Binder schilderte 1946 rückblickend die Gefahr anschaulich: "Bei der nächsten Hausdurchsuchung rebellierte Anton. Man nahm ihn kurzerhand mit, und nun erlebte er acht Tage auf dem Präsidium, die er bei seiner Rückkehr mit folgenden Worten beschrieb: ,Wenn die mich noch einmal holen, lassen sie mich lebendig nicht mehr heraus.'" Er sollte recht behalten.

Anton Rosinke wurde am 18. Dezember 1881 in Rheda nordwestlich von Danzig geboren. Sein Vater war Fischer, er selbst Schmied. Als Wanderabeiter kam er mit seinem jüngeren Bruder Johann nach Düsseldorf, sein erster Wohnsitz war ab 1904 die Bertastraße. Bis zu dem Umzug in die Siedlung Freiheit 1922 war er in wechselnden Funktionen als Fabrikarbeiter tätig. Zunächst zog er aber nach Gerresheim, heiratete Martha Abraham, bis 1912 wurden vier Kinder geboren.

Noch während des Kaiserreichs wurde Anton Rosinke zu einem Anarchisten. Er widmete seine Freizeit der Propaganda und war unter Beobachtung der politischen Polizei. Der Arbeitersängerverein "Freie Sänger 04" war dabei einerseits Mittel der Propaganda und Teil der politischen Gruppenbildung, andererseits aber auch Indiz für die Musikliebe von Anton Rosinke und seiner Genossen. Wegen seiner Tätigkeiten wurde er verhaftet, wieder entlassen, zum Militär eingezogen. Nach dem Ersten Weltkrieg schloss sich Rosinke der Rote Ruhrarmee an und beteiligte sich am Ruhraufstand. Er setzte sich jedoch ebenso für Musiker und eine weltliche Schule ein. Doch es waren seine politischen Tätigkeiten, die ihn letztlich das Leben kosten sollten. Anton Rosinke habe immer wieder aus den kleinsten Anlässen die Hoffnung anzufachen gewusst, so Ernst Binder, "und er hat uns das baldige Ende der Nazis stets zur Gewissheit gemacht. Ein einfacher Schmied, aber ein sauberer Mensch, der die Flamme der innerlichen Überzeugung über sich selbst hinaushob", schreibt Binder.

Hans Bernd Ashauer-Jerzimbeck hat sich intensiv mit dem Menschen Anton Rosinke beschäftigt, er ist Initiator der Stolperstein-Verlegung. "Das Konzept der Stolpersteine als großes, dezentrales Denkmal hätte Anton Rosinke sicher gefallen, denn Dezentralität und Föderalität waren wichtige Kategorien in seiner politischen Weltanschauung", sagt Ashauer-Jerzimbeck, der gegenüber dem Förderverein der Mahn- und Gedenkstätte die Bereitschaft erklärte, eine Patenschaft für den Stolperstein einzugehen. "Die hohe Akzeptanz über seine politische Gruppe hinaus macht Rosinke auf jeden Fall zu einem Teil der Geschichte der Siedlung Freiheit", nennt Ashauer-Jerzimbeck einen wichtigen Grund für sein Engagement.

(RP)
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