Urdenbach Ehrenamtler bieten Migrationskurse an

Urdenbach · Nadja Széplábi und Dolmetscher Sejjed Hashem Pourfaraji bringen Flüchtlingen in der Unterkunft an der Koblenzer Straße die deutsche Kultur und besonders das Grundgesetz näher. Das Interesse unter den Bewohnern ist groß.

 Nadja Széplábi, Flüchtling Sagha Basakpoor aus dem Iran und Sejjed Hashem Pourfaraji (v.l.) beim Migrationskursus in der Unterkunft an der Koblenzer Straße. Das Grundgesetz stand dort im Mittelpunkt.

Nadja Széplábi, Flüchtling Sagha Basakpoor aus dem Iran und Sejjed Hashem Pourfaraji (v.l.) beim Migrationskursus in der Unterkunft an der Koblenzer Straße. Das Grundgesetz stand dort im Mittelpunkt.

Foto: anne orthen

Im Aufenthaltsbereich der Flüchtlingsunterkunft an der Koblenzer Straße ist die Sitzordnung am Donnerstag etwas anders als üblich. Dort, wo sonst Sitzgruppen zum Reden, Spielen oder einfach nur Dabeisein einladen, sind einige Stapelstühle zu Reihen formiert. Zweimal wöchentlich werden hier Migrationskurse angeboten, sie sind auf freiwilliger Basis. Einmal geht es für neue Bewohner um grundsätzliche Regeln, beim zweiten Termin stehen unterschiedliche gesellschaftliche Themen im Mittelpunkt.

Am Donnerstag füllen sich unter der hellen Kuppel des Tragluftzeltes, in der rund 300 Flüchtlinge wohnen, um Punkt 15 Uhr die Reihen: Männer und Frauen aller Altersklassen sind dabei. Sie wollen Nadja Széplábi zuhören, sie wird sich heute den Artikeln 5 bis 7 des Grundgesetzes widmen. Es geht um die Bereiche Schutz der Familie, Meinungsfreiheit und Schulpflicht. Unerlässlich an ihrer Seite ist Sejjed Hashem Pourfaraji, der ins Arabische übersetzt.

Seit drei Monaten gibt es in der Unterkunft der Malteser Hilfe zur Orientierung für das Leben in Deutschland. Eine gute Unterstützung dabei ist der "Refugee Guide", der entlang einer Wand angeheftet ist. In Arabisch, Persisch, Englisch und Deutsch wird zu Aspekten wie persönliche Freiheiten, Essen, Trinken und Rauchen oder gesellschaftliches Zusammenleben informiert. Im Guide ist zum Beispiel nachzulesen, dass es nicht unbedingt ein Flirt sei, wenn ein Fremder den anderen anlächle, sondern in den meisten Fällen einfach Freundlichkeit. "Oder, dass eine Frau bei uns ihr eigenes Bankkonto haben kann, und dass sie die freie Wahl hat, wen sie heiraten möchte", erzählt Nadja Széplábi. Vieles sei fremd für Flüchtlinge und dies könne zu kulturellen Missverständnissen führen. Für sie und ihre Kollegen sei es ein Prozess gewesen, der zu dem Angebot führte. "Ich habe mir überlegt, wie sich unsere Gesellschaft durch die Flüchtlinge verändert und wie ich damit umgehe", erklärt sie. Unsere Werte seien wichtig, und die wolle sie weitergeben.

"Jeder darf seine Meinung öffentlich äußern, auch Meinungen, die einem anderen nicht gefallen", erklärt Széplábi. Ob in den Medien oder mündlich, in Deutschland sei das ein Grundrecht. Und weiter: Dass Kinder zur Schule gehen müssen, und dass Schlagen von Kindern verboten sei. Es sind einfache, kurze Sätze, die Sejjed Hashem Pourfaraji mit tragender Stimme ins Arabische übersetzt. Eine Dreiviertelstunde und nach kurzem Applaus zerstreut sich das Publikum. Saghar Basakpoor, vor drei Monaten mit ihrem Mann aus dem Iran gekommen, fand die Ausführung zur Meinungsfreiheit heute besonders spannend.

"Man muss auch Mut haben, heikle Themen anzusprechen", sagt Széplábi - etwa die Gleichberechtigung von Mann und Frau. "Da war ich selbst skeptisch. Ich habe auch gesehen, dass nicht alle einverstanden waren, aber es war niemand feindlich." Für Sejjed Hashem Pourfaraji - vor langer Zeit mit seiner Familie selbst aus dem Iran gekommen - ist es eine Herzensangelegenheit, Flüchtlingen das Ankommen in Deutschland zu erleichtern. "Viele Leute fragen nach dem Kursus noch einmal nach, und viele bedanken sich extra noch einmal", erklärt der Dolmetscher und wendet sich gleich wieder Jemandem zu, der Rat braucht.

(bgw)
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