Stadtmitte Die Stammbaumforscher von Düsseldorf

Stadtmitte · Wer seine Vorfahren erforschen will, bekommt Hilfe beim Verein für Familienkunde.

 Alfred Strahl (l.), Harry Sebetzky und Monika Degenhard beim Vereins-Treffen im Gerhart-Hauptmann-Haus.

Alfred Strahl (l.), Harry Sebetzky und Monika Degenhard beim Vereins-Treffen im Gerhart-Hauptmann-Haus.

Foto: HANS-JÜRGEN BAUER

An seinen größten Fehler erinnert sich Familienforscher Harry Sebetzky (72) bis heute. Als Jugendlicher wollte er seinen Opa fragen, ob die Familie etwas mit der Sebetzky-Brotfabrik in Derendorf zu tun hat. Doch der Opa vertröstete ihn, weil Weihnachten war: "Lass uns im Januar darüber sprechen." Doch dazu kam es nicht mehr. Der Großvater starb drei Tage nach Neujahr. "Und mit ihm sein Wissen", sagt der pensionierte Maschinenbau-Ingenieur.

Mühsam recherchierte er, was ihm der Großvater vermutlich gleich hätte sagen können: Mit der Brotfabrik hatten er und seine Vorfahren nichts zu tun. Sein Rat an angehende Familienforscher lautet deshalb: "Fangt so früh wie möglich an. Löchert die Verwandtschaft, sammelt Urkunden und alte Stammbücher, vor allem auch Fotos bevor sie bei irgendeinem Umzug im Container landen oder keiner mehr weiß, wer eigentlich auf den Bildern zu sehen ist."

Gemeinsam mit Alfred Strahl (84) und Monika Degenhard (75) gehört Sebetzky zum Führungsteam des Düsseldorfer Vereins für Familienkunde. Der hilft auf seinen regelmäßigen Arbeitsabenden angehenden Hobby-Genealogen und langgedienten Profis gleichermaßen. Die Fragen der Anfänger sind meist rasch geklärt: Was muss ich beim Standesamt anfordern? Oder gehe ich lieber gleich ins Stadtarchiv? Wo liegen die Kirchenbücher? Welche Regeln muss ich einhalten, damit ich am Ende nicht irgendeinen Johann Meyer, sondern tatsächlich "meinen" Ururgroßvater in die Ahnentafel eintrage? Denn aus Sicht solider Forscher ist nichts ärgerlicher als Vorfahrenlinien zu erforschen, die im Lichte exakterer Recherchen prompt wieder aus dem Stammbaum gelöscht werden müssen.

Mit seinem Lebenswerk, den Düsseldorfer Trauregistern, hat Strahl diese Spurensuche entschieden erleichtert. Denn was nach einer bloßen Abschrift der Heiratsregister klingt, läuft in den meisten Fällen auf komplette Familienbücher für einen Stadtteil hinaus. Wer sesshafte Vorfahren hatte, kann mit etwas Glück einzelne Vorfahren-Linien über fünf oder mehr Generationen relativ einfach zurückverfolgen. Die Stunden, die er in das Erstellen dieser Register gesteckt hat, kann Strahl nicht mehr zählen. Jahre dürften es zusammengerechnet sein. "Meine vor acht Jahren verstorbene Frau hat immer gesagt: Du kümmerst dich um die Toten, ich mich um die Lebendigen", sagt Strahl augenzwinkernd, dem es eben nicht nur um die eigene Ahnentafel, sondern um eine breite Datenbasis für Düsseldorf ging. Für Familienforscher bildet Strahls Arbeit, die Sebetzky aktuell mit fünf Bänden zu den standesamtlichen Trauungen von 1810 bis 1835 fortsetzt, eine kaum zu überschätzende Arbeitserleichterung.

Und was treibt die Forscher? "Natürlich geht es auch um Identität. Wer bin ich? Woher komme ich?", sagt Degenhard, die in Ratingen-Lintorf lebt. Besonders spannend sei es natürlich, wenn sich die eigenen Genealogie beispielsweise mit der Stadtgeschichte verbinden lasse. So erforschte Degenhard die Familie Kegeljahn, die als Rheinschiffer auch Gaststätten in der Altstadt betrieb. Eine hieß "Prinz von Oranien" (heute Burgplatz 12). In ihr war Goethe 1774 zu Gast. Und bei Strahl leuchten die Augen, wenn er über die "Kirchbauer"-Linie spricht. "Einige waren Hofmusiker bei Jan Wellem."

Freilich ist der Weg zu solch spannenden Erkenntnissen ebenso spannend wie steinig. Neben den Urkunden des Standesamtes, den Kirchen- und Familienbüchern wälzen passionierte Forscher Steuerlisten, Pachtverträge, Zinsbücher und - falls vorhanden - alte Notarurkunden. Wer es ernst mit dem Hobby Familienforschung nimmt, braucht deshalb vor allem eines: Zeit. Nicht wenige forschen ein ganzes Leben lang. "Die meisten kommen dann als Rentner noch mal so richtig in Fahrt", sagt Strahl und lacht. Wer in sein Gesicht schaut, weiß: Familienforschung ist eine Herausforderung, die jung hält.

(jj)
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