Düsseldorf Besuch beim Puppendoktor

Düsseldorf · Christian Schneider repariert Kinderpuppen und Kuscheltiere. Morgen kommt er zum Urdenbacher Töpfer- und Handwerkermark.

 Nach dem Arbeitseinsatz sehen die Puppen, die oft schon viele Jahre auf dem Buckel haben, wieder wie neu aus.

Nach dem Arbeitseinsatz sehen die Puppen, die oft schon viele Jahre auf dem Buckel haben, wieder wie neu aus.

Foto: Stefan Finger

Christian Schneider ist ein Spezialist für Schönheitsoperationen und geriatrische Notfälle. Viele seiner Patienten sind schon über 60 Jahre alt: Die Gliedmaßen machen oft nicht mehr richtig mit, die Haut ist spröde statt elastisch, und einige sollen vor Ort lange, schwarze, geschwungene Wimpern transplantiert bekommen. Einige seiner Patienten sind schwer verletzt, hatten schlimme Unfälle zu Hause und warten darauf, dass ihre Platzwunden genäht werden, einige sogar auf Amputationen von Gliedmaßen. Die Warteschlange an der Alexanderstraße ist lang, das 300 Quadratmeter große Ersatzteillager gut gefüllt. Mittendrin: Christian Schneider, der alle Hände voll zu tun hat, die vielen Patienten wieder "in Schuss" zu bekommen.

Die Klinik von Christian Schneider an der Alexanderstraße in der Innenstadt ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, denn Ärzte dieser Art gibt es kaum noch. Schneider ist ein "Puppendoktor", ein Handwerker der alten Schule, der den Familienbetrieb in vierter Generation führt. Er ist spezialisiert auf die Reparatur und das Wieder-Schön-Machen von Puppen aus den 1940er bis 1960er Jahren und damit ein wichtiger Ansprechpartner für die Generation, die als Kind oft nur eine Puppe hatte und entsprechend eng mit ihr aufwuchs, sie immer dabei hatte, selbst wenn man zum Beispiel in den Luftschutzkeller flüchtete, und ihr im Laufe der Jahre viel anvertraute.

 Mit viel Gefühl repariert Christian Schneider alte Puppen. Die Verletzungen der zu Reparierenden sind vielfältig. Dafür hat er ein großes Ersatzteillager.

Mit viel Gefühl repariert Christian Schneider alte Puppen. Die Verletzungen der zu Reparierenden sind vielfältig. Dafür hat er ein großes Ersatzteillager.

Foto: Stefan Fingerwww.stefan-finger.

Früher verkaufte Schneider Sparbücher, half seinen Kunden in einer Düsseldorfer Bank dabei, Erspartes gut anzulegen. Doch der Job erfüllte ihn nicht. Er selbst hängt zwar nicht so sehr an seinen Spielsachen aus der Kindheit wie seine Kunden; doch wenn er sieht, wie strahlend und glücklich die Besitzer mit ihren auf Neu gemachten Puppen mit Namen wie "Annemarie" die Puppenklinik verlassen, dann erfüllt auch ihn das mit einem Gefühl von Glück und Zufriedenheit.

Vertrauen, das sei in seinem Job wichtig, sagt Schneider. Denn die Puppen könne man eben nicht mal durch Neuware aus dem Geschäft ersetzen. "Sie haben einen ideellen Wert für meine Kunden, viele wollen sie nicht einmal mit der Post zu mir schicken, aus Angst, sie könnten verloren gehen", erzählt der zweifache Familienvater. Dieses alte, sensible und filigrane Handwerk brauche Zeit, sagt Schneider. Doch mancher Kunde würde sich schwer tun, sich für die Dauer der Behandlung, die schon mal ein paar Wochen dauern kann, von seinen liebgewonnenen Schätzen zu trennen. "Ich hatte mal einen Mann hier, der die Puppe seiner dementen Frau reparieren lassen wollte und sie ganz schnell zurück brauchte, weil seine Frau so sehr an ihr hing. In diesen Fällen mache ich natürlich eine Ausnahme, ziehe die Arbeit dann vor", sagt der 42-Jährige, der bei seinem Vater das Handwerk lernte, einem Mann, der sich selbst als "Lexikon für Puppen" bezeichnet.

"Sobald ich eine Puppe sehe, weiß ich zum Beispiel, aus welcher Fabrik und welcher Produktionsmaschine sie kam, weiß, welches Ersatzteil in unserem Lager in welchem Karton liegt", sagt Vater Helmut. Früher fuhr er viel herum und kaufte Fabriken und Einzelhandelsgeschäften für Puppen und -zubehör, die das Geschäft aufgaben, große Mengen ab. Ohne diese über Jahrzehnte gesammelten Einzelteile könnte Christian Schneider die vielen Puppen und auch Teddybären und andere Kuscheltiere nicht mit originalen Glasaugen oder Wimpern zum Beispiel ausstatten. "Einige Kunden nennen mich Doktor und fragen, ob ich auch mittwochsnachmittags geöffnet habe", sagt Christian Schneider und lacht.

Dinge reparieren zu lassen, statt neu zu kaufen, "das ist für unsere heutige Zeit nicht gerade üblich, doch ich merke, dass das Interesse daran langsam wächst", sagt Schneider. Manchmal würden auch junge Kunden den Weg zu ihm finden und ihn fragen, ob er eine liebgewonnene Baby-Born-Puppe, Action- oder Fantasyfigur reparieren kann. "Es kann dann schon mal sein, dass die Reparatur bei mir nur zehn Euro günstiger ist, als sich eine neue zu kaufen. Doch einmal sagte ein Mädchen bei mir im Geschäft zu seiner Mutter: ,Du wirfst mich doch auch nicht weg, wenn ich krank bin.' Das hat mich sehr bewegt", sagt Schneider, der lange daran herumgetüftelt hat, auch nicht-reparierfähige Puppen wie die von Baby Born wieder "gesund" zu machen.

Mehrmals im Jahr präsentiert er sich auf Messen und Handwerkermärkten, um auf sich und seine Arbeit aufmerksam zu machen. Am Sonntag nimmt er seinen "Notfallkoffer" mit Instrumenten und Einzelteilen mit, um auf dem Töpfer- und Handwerkermarkt in Urdenbach Patienten zu behandeln. Dann kann man ihm auch bei der Arbeit zusehen. "Das finden sogar Kinder interessant", sagt er. Und sein zehnjähriger Sohn Justus nickt.

(semi)
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