Pempelfort Die Macht der Nacht

Pempelfort · Jürgen Müller ist heute Friseur in Pempelfort. Früher hat er viele Jobs in unterschiedlichen Städten gemacht. Seine beste Zeit war wohl die zwischen 1986 und 1991. Da zählte er zu den Köpfen einer Party-Reihe in einem Zirkuszelt.

 Friseur Jürgen Müller zählte in der 80er Jahren zu den Machern der mobilen Partyreihe "Die Macht der Nacht".

Friseur Jürgen Müller zählte in der 80er Jahren zu den Machern der mobilen Partyreihe "Die Macht der Nacht".

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Jürgen Müller ist sesshaft geworden. Seit acht Jahren ist er Inhaber der Haarschneiderei an der Kaiserswerther Straße 41 in Pempelfort und wohnt in Bilk. Pempelfort hat es dem Friseur angetan: "Eine extrem nette Gegend mit Menschen, die wahrscheinlich genauso reich sind wie die in Oberkassel. Nur müssen sie es nicht so offen zeigen."

Der 54-Jährige war bestimmt nie ein Asket. Er hat das Leben genossen, in vollen Zügen, sein Gesicht erzählt Bände. Er hat eine Installateur-Lehre absolviert, war viel auf Montage, hat auch bei Henkel gearbeitet und irgendwie immer zwischendurch als Friseur. Er hat diverse Städte gesehen und in ihnen gelebt, zumeist in Deutschland.

Eine Zeit sticht in der Biografie des geborenen Benrathers dann aber doch heraus. Es waren die Jahre zwischen 1986 und 1991, als Müller mit einem Stamm von zwölf Leuten, zumeist verkappte Künstler, die Party-Reihe "Die Macht der Nacht" in einem riesigen Viermastzelt mit Platz für bis zu 6000 Personen ins Leben rief. Sieben Bars gab es, jede hatte ihr eigenes Motto. Von der Zirkuskuppel hingen Artisten in einer Badewanne mit Gelee, aus den vier mannshohen Boxen dröhnte Acid House, darauf tanzten sich Profis die Seele aus dem Leib. Schlangenfrauen zogen faszinierte Blicke auf sich, am Eingang empfingen zwei nackte Frauen mit Bodypaintings auf Säulen die Gäste. "Es war eine ekstatische Zeit", sagt Müller.

Rainer Wengenroth, heute bekannt aus dem Dr. Thompson's, war der "geistige Vater" der Idee, so Müller, doch jeder aus dem Team erfüllte einen bestimmten Part. "Ich war vorrangig der Lagermeister, musste die sieben Bars bestücken, den Alkohol nachbestellen. Aber wir waren da nicht so festgelegt, eher flexibel, haben aber alles immer mit viel Gefühl gehandhabt." Kultur spielte trotz allem stets eine Rolle, es gab auch ein richtiges Konzept, das wurde aber quasi jeden Abend über den Haufen geworfen - oder zumindest um eine weitere Facette bereichert.

Wie ein richtiger Zirkus tourte "Die Macht der Nacht" durch große Städte wie Berlin, Hamburg, Köln, oder München. 1990 stand das Zelt an der Lausward in Düsseldorf, 1991 in Paris. Danach war Schluss. "Wir hatten natürlich einen riesigen Kostenapparat zu stemmen, die enorme Platzmiete, jeden Abend mussten 60 Leute bezahlt werden, die Beschwerden wegen der Lautstärke, und die Sicherheitsauflagen waren damals schon sehr hoch. Außerdem kam plötzlich der Techno. Es war eine unglaublich intensive Zeit, aber dann war halt gut", erklärt Müller, der mit pikanten Anekdoten vorsichtig haushaltet, behauptet, er könne sich nicht mehr so gut erinnern - aber zwischen den Zeilen meint man in seinen Augen zu lesen, dass das legendäre Studio 54 in New York im direkten Vergleich eine Art mauer Kindergeburtstag mit einem missmutigen Clown gewesen sein muss. Westbam legte in dem mobilen Nachtclub auf und gab später seinen Memoiren den Titel "Die Macht der Nacht". Für Stars wie Nina Hagen oder Udo Lindenberg, Grace Jones oder die Musiker von Pink Floyd war der Feiertempel am Abend erste Anlaufadresse. "Wir hatten in der Mitte einen riesigen Raubtierkäfig, das war unsere VIP-Lounge", berichtet Müller, der sich aus heutiger Sicht wundert, "dass es eigentlich immer erstaunlich friedlich geblieben ist".

Das ist lange her. Die Crew von damals steht immer noch in Kontakt, "wir sind Freunde", sagt Müller, aber jeder ist seines Weges gegangen, der die meisten in Berlin stranden ließ. Derartige Partys habe er nie wieder erlebt, "es war das Jahrzehnt des Feierns ", betont der 54-Jährige und fügt hinzu: "Es war der beste Club in Deutschland, den es je gab, mobil noch dazu - und ich war der Mann mit dem Schlüssel für das Alkohollager."

(RP)
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