Oberkassel Seniorin gestaltet Kunstbaum stets neu

Oberkassel · Evelin und Martin Pennewiß haben sich eine baum-ähnliche Skulptur in ihren Vorgarten gesetzt. Mit viel Fantasie wird sie immer wieder neu gestaltet. Sie sendet Botschaften oder gibt den Passanten Hinweise auf aktuelle Ereignisse.

 Das Kunstwerk sollte im Garten von Evelin Pennewiß eigentlich nur den Ahorn ersetzen, der bis dahin den Weihnachtsschmuck trug.

Das Kunstwerk sollte im Garten von Evelin Pennewiß eigentlich nur den Ahorn ersetzen, der bis dahin den Weihnachtsschmuck trug.

Foto: Andreas Bretz

Für manchen Passanten ist es schon zur Gewohnheit geworden, mal eben einen Blick in den Vorgarten von Evelin und Martin Pennewiß zu werfen. Denn dort gibt es immer wieder etwas Neues an einem aus dem Boden ragenden Stahlgestänge zu bestaunen. Diesmal bilden kleine Fußbälle die Krönung. Auf halber Höhe dreht sich ein Mobile mit einem Fußballer im Wind, daneben hängt eine Tafel, auf die bunte Flaschenverschlüsse wie Knöpfe aufgenäht sind - ein Hinweis auf die bunte Vielfalt eines kontinentalen Publikums. Denn noch ist die Erinnerung an die Fußball-Europameisterschaft lebendig.

Jetzt darf man gespannt sein, welchen Sinn das handwerklich begabte Ehepaar als Nächstes seinem Rohling, der zwecks Gestaltung umgelegt werden kann, geben wird. "Das bleibt der Fantasie meiner Frau überlassen", sagt der Ehemann. Und die scheint unerschöpflich. Regelmäßig wird das Gestänge mit Objekten geschmückt, die einen Bezug zu weltpolitischen wie örtlichen Ereignissen haben.

Angefangen hat alles, als der Ahorn im Vorgarten gefällt werden und das Ehepaar auf die Weihnachtsbeleuchtung verzichten musste. "So hat mein Mann eben einen Kunstbaum geschaffen", sagt sie. Er wurde dann aber nicht nur zum Weihnachtsfest dekoriert, sondern mit jeweils wechselnden Kunstwerken immer wieder neu gestaltet. So hatte sie neben den vier Jahreszeiten auch einen Osterspaziergang dargestellt, zum Japantag Karpfen, Fische und Vögel ins künstliche Geäst gesetzt und dem Nachbarn, der ein Schiedsmann ist, zwei Streitende gewidmet. Auch das Flüchtlingsproblem, verbunden mit der Botschaft an die Gesellschaft, zusammenzuhalten, hat sie aufgegriffen. Eine Herzensangelegenheit des Ehepaares, das nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 ebenfalls die Heimat im Osten verlassen musste.

Schon in der Schule fiel Evelin Pennewiß durch ihre Zeichnungen auf. "Da ist etwas, da ist etwas...", hatte die Lehrerin gegrübelt. "Worte, die mich stets vorwärtstrieben, sagt die Seniorin. Doch zunächst habe sie eine Schneiderlehre in der Heimat absolviert, musste sie im Kriegsjahr 1944/45 in einer Fabrik an Gasbettchen für Kinder mitarbeiten. "Als Vorsorge, falls Gas als Kampfmittel eingesetzt wird." Kennengelernt haben sich die Beiden nach der Vertreibung in Hannover, wo sie heirateten. Martin Pennewiß, der Automechanikermeister war, nahm dann eine Stelle bei der Firma "Haniel" in Düsseldorf an und wechselte später als Betriebsleiter zur Zweigstelle nach Oberkassel.

Als die beiden Kinder größer wurden, fasste Evelin Pennewiß sich ein Herz und bewarb sich bei der Düsseldorfer Kunstakademie. "Ich wurde angenommen - und blühte auf." Denn in der Bildhauerklasse von Beate Schiff habe sie neue Impulse bekommen. "Ich lernte, mit Draht und Polyester umzugehen und arbeitete mich quer durch alle Materialien." Zehn Semester habe sie an der Akademie studiert, was dann auch eine große Schaffensperiode in Gang setzte.

Die Wohnung, in der das Ehepaar schon 40 Jahre lebt, zeugt davon: Kunsthandwerk wohin man blickt. "Meine Astronautenphase", sagt Evelin Pennewiß und zeigt auf eine Skulptur im Raumanzug. Auffallend bei allen Arbeiten sind immer wieder die Materialien: Quarkdeckel, Kosmetikdosen, Medikamentenschachteln - kurz Wegwerfartikel und Fundstücke. Und wie ein roter Faden ziehen sich Bäume - mal gestrickt, mal gestickt durch die häusliche Szene. "Unser Lebensbaum, der uns immer begleitet", sagt sie nachdenklich und wird nicht müde zu betonen, dass sie keinen Kunstanspruch habe. Vererbt hat sie ihre Begabung nicht direkt, denn ihre beiden Kinder sind Akademiker, eins ihrer drei Enkelkinder ebenfalls. Jetzt ist Evelin Pennewiß auf dem Weg zur Urgroßmutter, ein neues familiäres Ereignis, das sie sicher wieder inspirieren wird.

(RP)
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