Oberkassel Rotkehlchen schlüpfen im Wohnzimmer

Oberkassel · Alina Kolenda war erstaunt, als ein Vögelchen bei ihr in einem Strauß mit künstlichen Blumen ein Nest baute. Die fünf Jungen sind inzwischen geschlüpft. Mann Josef hatte zuvor bereits ein verstoßenes Eichhörnchen aufgepäppelt.

 Das Rotkehlchen legt sich schützend auf seine Küken, lässt sich dabei aber auch problemlos fotografieren.

Das Rotkehlchen legt sich schützend auf seine Küken, lässt sich dabei aber auch problemlos fotografieren.

Foto: Marc Ingel (3), privat (1)

Bei der Familie Kolenda an der Rheinallee in Oberkassel ist ein Rotkehlchen eingezogen. Genau genommen sind es inzwischen sechs Vögelchen, denn in der Nacht zu gestern hat die neue Untermieterin Nachwuchs bekommen - im Wohnzimmer, in einem Strauß mit künstlichen Blumen, den das Rotkehlchen als idealen Platz für sein Nest auserkoren hat. Gelegentlich schaut auch der Papa vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Die Familie scheint sich wirklich wohlzufühlen.

 Hunger! Die Jungvögel warten sehnlichst auf die Rückkehr der Mama.

Hunger! Die Jungvögel warten sehnlichst auf die Rückkehr der Mama.

Foto: Marc Ingel

Alina Kolenda sorgt dafür, dass die Terrassentür stets auf Kipp steht. Das genügt dem alles andere als scheuen Rotkehlchen als Öffnung, um wieder ins Warme zu flattern und die hungrige Brut mit Würmern oder Käfern zur versorgen. "Ich habe extra getrocknete Mehlwürmer gekauft, aber die rühren die nicht an", sagt die Gastgeberin, die nicht wirklich weiß, ob sich gerade das Weibchen oder das Männchen in ihrem Wohnzimmer befindet. "Meistens wird es wohl die Mama sein", spekuliert sie.

Alles begann vor ein paar Wochen, als das Rotkehlchen sich in dem gemütlichen Raum umschaute, den Strauß erspähte, immer mehr Moos herbeischaffte und sich an den Nestbau begab. "Ich habe die Vase dann zunächst auf die Terrasse gestellt, das fand das Rotkehlchen aber offensichtlich nicht so gut", berichtet Alina Kolenda. Stattdessen suchte sich der Vogel einen neuen Platz für ihre Familienplanung in einem Blumentopf neben dem Fernseher. "Da habe ich die Vase wieder reingeholt, das Tier hat mit dem Nestbau an alter Stelle weitergemacht und Eier gelegt".

Vorher war das Rotkehlchen übrigens bei Nachbarin Inge Herzog. Im Bücherregal hat der Vogel begonnen, sein Nest zu bauen, das fand die 90-Jährige weniger toll und verfrachtete die angefangenen Bauarbeiten in einem Karton auf die Fensterbank. "Da hat mich das Tier völlig verständnislos angeschaut, Piep gemacht und war weg", erzählt Herzog, die dennoch nun jeden Morgen um 6 Uhr von fröhlichem Gezwitscher im Garten geweckt wird.

Alina Kolenda kann gut damit leben, dass die kleine Vogelfamilie jetzt in ihrem künstlichen Blumenstrauß wohnt, zumal überhaupt kein Dreck im Wohnzimmer zu sehen ist. "Die sind stubenrein", staunt sie - und zutraulich: "Wenn ich telefoniere, stehe ich direkt neben der Vase, das stört die Mutter nicht im Geringsten. Sogar Fotos machen kann man ohne Probleme."

Für die Kolendas ist die tierische Gastgeber-Rolle nichts Neues. Vor zwei Jahren hat Ehemann Josef ein verstoßenes, damals nur knapp zehn Zentimeter großes Eichhörnchen-Baby gepflegt. "Das haben wir an der Hoftür gefunden und mit Spezialfutter über eine Pipette aufgepäppelt", erinnert sich Alina Kolenda. Geschlafen hat es in einer Wollmütze, die oben auf einem Karton mit Lappen lag. War Kitka, so haben die Oberkassler das Tier getauft, wach, wuselte es mit Vorliebe unter dem Hemd von Josef Kolenda herum. Für die beiden Polen ist der ungewöhnliche Umgang mit Tieren ohnehin Alltag. "Das hier ist ein Bild aus unserer Heimat", sagt Alina Kolenda und zeigt ein Foto, auf dem ein Bison vor dem Gartentor steht.

(RP)
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