Oberkassel Herr Braun ist auf Schüler eingestellt

Oberkassel · Die Geschichte des kleinen Ladens für Papier- und Schreibwaren an der Dominikanerstraße begann 1903. Thomas Braun hat ihn von Marlies Johnen übernommen.

 Thomas Braun erfüllt Wünsche rund um Papier- und Schreibutensilien. Oftmals wird sein Laden geradezu gestürmt.

Thomas Braun erfüllt Wünsche rund um Papier- und Schreibutensilien. Oftmals wird sein Laden geradezu gestürmt.

Foto: RP-Foto. Andreas Bretz

An manchen Tagen gibt es kein Vor und Zurück in dem kleinen Laden von Thomas Braun. Dann steht jeder dem anderen auf den Füßen und wird bei Bedarf beiseite geschoben. Und wer ungeduldig ist, eckt garantiert an und reißt womöglich die ganze Pracht des von unten bis oben mit Schreibutensilien, Geschenkpapier, Grußkarten und Kartons gefüllten Raumes mit sich. Trotzdem zieht dieses Schreib-Labyrinth immer wieder magisch an. Vieles gibt es zu entdecken, vieles weckt Erinnerungen an die Kinderzeit von Großmüttern, die hier die mit Silberflitter umkränzten Glanzbilder wiederfinden. "Ja, die haben wir noch", sagt Braun in der Gewissheit, dass er mit seinem Angebot richtig liegt. Denn trotz rasanter Entwicklung, trotz Internet und Co. lassen die Kundenzahlen auf die Sehnsucht nach persönlicher Zuwendung und ein klein wenig "Tante-Emma-Laden" schließen.

Auf Facebook sind dann auch wahre Elogen zu entdecken, die nicht nur Einheimische verfasst haben. Sarah K. aus Hamburg schreibt zum Beispiel: "Sehr netter Laden, wenn man da wohnt die erste Adresse für alles, was man so braucht, und wenn man gerade in der Nähe ist, immer eine Entdeckungsreise wert." Oder Thorsten H. aus Monheim: "Das ist doch mal wieder so ein kleiner schnuckeliger Schreibwarenladen. Und weil er so klein ist, wirkt er vielleicht auf den ersten Blick etwas chaotisch, aber dafür hat er alles, was das Herz begehrt."

Gab es anfangs Rätselraten über das Alter des Geschäfts, so war vom direkten Nachbarn Heinrich Nagelschmitz (Parfümerie Nagel-schmitz) zu erfahren, dass es das Geschäft seit 1903 gebe und es schon immer ein Schreibwarenladen gewesen sei. "Es hat der Familie Streit gehört." Käthe Streit habe es gegründet.

Danach wurde es von Helga Göbel übernommen, 1970 von Marlies Johnen, die 1951 Lehrling bei Käthe Streit gewesen war. Seit 1992 ist Thomas Braun Inhaber, was dann auch für den gebürtigen Oberkasseler folgerichtig ist. "Unsere Familie wohnte in dem Haus. Ich habe schon 1973, als Kind, in dem Laden gestöbert." Er habe Frau Johnen, die seit eineinhalb Jahren im Dorothee-Sölle-Haus lebe, gut gekannt. Trotzdem fand der gelernte Werbekaufmann erst über Umwege zu seiner Bestimmung, Herr über sämtliche Schreibutensilien zu werden. "Mit 19 bin ich nach Berlin gezogen und war dort im Bau-Senat für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig." In seine Heimat zurückgekehrt, übernahm der dreifache Vater einen Teilzeitjob bei Marlies Johnen, was ihm den Weg zum Inhaber ebnete.

Umgebaut wurde das Geschäft zum letzten Mal 1960. "Früher war hier die Grenze", sagt Braun und zeigt in den vorderen Teil. Fast 60 Jahre ist das her, dennoch denke er nicht an Veränderungen - nur eine neue Kasse sei angeschafft worden. Muss er auch nicht, denn das, was er führt, ist nach wie vor gefragt. Besonders zu Schulbeginn und zur Weihnachtszeit

"Ich geh' mal eben zu Herrn Braun", ist in Oberkassel oft zu hören, wenn Kinder Radiergummis suchen oder Federmappen oder ein rosa Tagebuch mit Melodie haben wollen - "wir erfüllen auch ausgefallene Wünsche", so Braun, außer, wenn jemand nach karierten Maiglöckchen frage, ergänzt er lachend. Stolz ist er auf sein handgeschöpftes Büttenpapier und versichert: "Trotz Computern, es wird noch viel handschriftlich verfasst." Und dann gibt's da noch die Ecke mit Bastelanleitungen, mit allerlei zum Selbstgestalten. Je nach Jahreszeit versteht sich. Klar, dass nun der Frühling den Ostereier-Nestbau abgelöst hat.

(RP)
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