Oberbilk Ein Stammplatz seit fünf Generationen

Oberbilk · Seit den Anfängen des Oberbilker Wochenmarkts um die Jahrhundertwende verkauft die Familie von Angela Miggitsch dort Obst und Gemüse.

Düsseldorf früher und heute: Ein Vergleich in Bildern
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Düsseldorf vor hundert Jahren - Vergleich früher und heute

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Die Urgroßeltern von Angela Miggitsch zogen ihren mit Obst und Gemüse beladenen Handkarren noch den ganzen Weg vom Kaiserswerther Bauernhof zum Oberbilker Wochenmarkt.

Wenn sie dort nach mehreren Stunden Fußweg ankamen, standen schon viele andere Bauernfamilien mit ihren Körben, gefüllt mit Möhren, Kartoffeln, Radieschen, Porree oder Eiern, und boten ihre Waren feil. Der Markt war zur Jahrhundertwende der Supermarkt der Arbeiter- und Handwerksfamilien im Stadtteil.

 Angela Miggitsch (r.) und Tochter Stefanie stehen gemeinsam in ihrem Hoflanden in Itter oder auf dem Oberbilker Markt.

Angela Miggitsch (r.) und Tochter Stefanie stehen gemeinsam in ihrem Hoflanden in Itter oder auf dem Oberbilker Markt.

Foto: h.-j. Bauer

Einiges wurde auch eingekauft, um es einzukochen oder einzukellern und damit auch im Winter zum Beispiel Gemüse zu haben. Viele malochten im Stahlwerk Poensgen am heutigen Hauptbahnhof. An den Markthändlern fuhr die Mindener Bahn vorbei, im Zentrum des Platzes stand eine mehrere Meter hohe Standuhr. Der Ort war laut und belebt. Für Unterhaltung und Abwechslung sorgten die vielen Kneipen und Kinos in der Nähe.

Gut 120 Jahre später steht Urenkelin Angela Miggitsch auf dem Markt - Seite an Seite mit Tochter Stefanie. Von anderen Obst- und Gemüsehändlern fehlt jede Spur. Der Ort ist noch immer laut, das liegt aber vor allen Dingen an den vielen Autos, die die Kölner- und Kruppstraße befahren. Die Bahn fährt inzwischen unterirdisch. Familie Miggitsch ist mit einem Lkw angereist und steht vor Wind und Wetter geschützt im überdachten Stand. In ihren Plastikkisten liegt wie einst bei Urgroßmutter Margarete Stoffels Obst und Gemüse aus der eigenen Gärtnerei, daneben Bananen, Zitrusfrüchte oder Mangos von Händlern aus der Stadt.

Markthändler mit einer so langen Familientradition und einem Stammplatz - von denen gibt es in Düsseldorf kaum noch welche. Bei Angela Miggitsch, die in vierter Generation auf dem Markt steht, war es anfangs auch nicht klar, ob sie ins Familiengeschäft einsteigen würde.

Traditionsgeschäfte in Düsseldorf
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Traditionsgeschäfte in Düsseldorf

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Foto: RPO Stahl

Als Kind hatte sie zwar schon am Stand ausgeholfen, sich dann aber für einen Job in einer Spedition entschieden. Erst als sie Mutter wurde und ihren Job nicht mit dem Familienleben verbinden konnte, wurde sie Vollzeit-Markthändlerin: "Meine Tante Elisabeth Trosdorff hatte keinen Nachfolger. Das passte." Das war Mitte der 90er Jahre und Miggitsch Mitte 30.

Heute würde sie ihren Job gegen nichts eintauschen, sagt Miggitsch, die in dritter Generation einen Hofladen in Itter betreibt. Und das sieht man ihr an: Immer gut gelaunt steht sie dienstags und samstags mit Tochter Stefanie am Stand, hilft den Kunden bei der Auswahl, berät sie und plaudert mit ihnen - über das Wetter, Kochrezepte, Krankheiten.

 Der Markt um 1910: Damals bieten noch viele Bauernfamilien ihre Waren feil, und zwar in Körben.

Der Markt um 1910: Damals bieten noch viele Bauernfamilien ihre Waren feil, und zwar in Körben.

Foto: Stadtarchiv

Wenn Angela Miggitsch sich alte Familienfotos ansieht, ist sie erstaunt, wie einfach und auch beschwerlich die Bedingungen früher waren. "Es gab mechanische Waagen, man musste mit Gewichten hin- und herprobieren, bis man die Balance hatte. Und das Kopfrechnen! Heute haben wir zum Glück elektrische Waagen." Das, was ihr manchmal schwerfalle, sei die Arbeit im Winter: "Morgens um 3 Uhr aufzustehen, wenn draußen minus sieben Grad sind, fällt schwer." Und ihr Mann hilft an Markttagen vor und nach seinem Job beim Auf- und Abbau des Stands.

Gut 120 Jahre nach den Urgroßeltern auf dem Oberbilker Wochenmarkt zu stehen, erfüllt Miggitsch mit Stolz. Doch Tradition verpflichte auch: "Ich will nicht die letzte sein!" Dass Tochter Stefanie - von sich aus - ins Geschäft eingestiegen ist, macht sie glücklich. Auch wenn sie auf dem Markt inzwischen den einzigen Obst- und Gemüsestand betreibt, glaubt sie an die Zukunft der Wochenmärkte: "Sie werden sich nur verändern. Heute ernähren sich viele Menschen gerne vegetarisch oder vegan, wollen frische Zutaten vom Markt für ihre Smoothies. Und viele schätzen den persönlichen Kontakt auf den Wochenmärkten. Supermärkte sind anonym."

(semi)
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