Oberbilk Die letzte Runde geht aufs Haus

Oberbilk · Die Caritas baut ihr Altenheim in Oberbilk um. Ein Schwerpunkt ist die Betreuung und Pflege von Suchtkranken. Dabei geht es nicht um Entwöhnung, sondern um ein Leben mit Würde. Dazu gehört dann auch das passende Getränk.

 im St. Josefshaus gehört eine Flasche Bier für manche Bewohner am Nachmittag dazu. Sie ist Teil des Konzepts in dem Altenheim der Caritas.

im St. Josefshaus gehört eine Flasche Bier für manche Bewohner am Nachmittag dazu. Sie ist Teil des Konzepts in dem Altenheim der Caritas.

Foto: Torsten Thissen

Hermann-Josef Gierkens weiß nicht genau, wann er mit dem Trinken angefangen hat, allerdings wurde es schlimmer, als seine Frau verstarb. Er sitzt auf seinem Bett im Altenheim St. Josefshaus und stockt. Drei Söhne hatte er, zwei verstarben als Kinder, einer bei einem Motorradunfall, "ich habe niemanden mehr", sagt er. Herr Gierkens bekommt morgens und mittags eine Flasche Bier, zwischendurch kauft er sich auch was, es geht ihm gut damit. Er ist jetzt 89 Jahre alt, hat sein Leben lang gearbeitet, zuletzt als Abteilungsleiter in einem Garnveredlungswerk am Niederrhein, wo er 150 Leute unter sich hatte. Er hatte einen Schäferhund, war Rettungsschwimmer, hat Handball und Fußball gespielt.

Im neuen St. Josefshaus sollen mehr Menschen wie Herr Gierkens einen Platz finden. Deshalb investiert die Caritas mehr als fünf Millionen Euro in den Umbau des Altenheims in Oberbilk. Es ist auch geplant, den Bereich für andere Suchtformen zu öffnen, Drogenabhängige etwa und vor allem Tablettenabhängige. "Der Bedarf ist da, dank der medizinischen Betreuung werden auch diese Menschen immer älter, darauf müssen wir reagieren", sagt Jörg Kador, Fachbereichsleiter stationäre Pflege. Es geht nicht darum, die Menschen etwa vom Alkohol wegzubekommen, sondern um ein Leben in Würde, darum, ihnen ein Maß an Kontrolle über ihre Sucht zu ermöglichen und die gesundheitlichen Folgen der Suchterkrankung zu mildern. Die Caritas betritt damit Neuland, in Nordrhein-Westfalen wäre die Einrichtung in Düsseldorf die einzige ihrer Art. Um etwa die Pflegekräfte zu schulen, sollen Dozenten aus Süddeutschland nach Düsseldorf kommen, dort gebe es bereits Erfahrungen, sagt Kador. Das Konzept steht noch nicht in allen Einzelheiten, aber ein bisschen Zeit ist noch.

In dieser Woche begann der Umbau des Hauses, im Frühling des kommenden Jahres soll alles fertig sein. Immerhin 34 Betten soll das St. Josefshaus dann für suchtkranke Menschen haben. Insgesamt hat die Einrichtung dann 122 Plätze, die Mehrheit sind normale Altenheim-Bewohner.

Auch Herrn Gierkens ist nicht anzumerken, dass er regelmäßig sein Bier bekommt. Wie alle anderen Bewohner nimmt an den Mahlzeiten teil, an den Aktivitäten, den Spielenachmittagen, den Ausflügen. Allerdings ist er schon vergleichsweise lang hier. Suchtkranke kommen früher ins Altenheim, durchschnittlich verbleiben sie viereinhalb Jahre in der Einrichtung, Alte ohne Suchterkrankung sterben im Durchschnitt nach neun Monaten im Heim, was daran liegt, dass sie beim Umzug meist deutlich älter sind als Suchtkranke. Der Trend geht dahin, möglichst lange Zuhause zu bleiben, so lange es eben noch geht. Suchtkranke kommen schlicht früher nicht mehr alleine klar. Und ist ihre Sucht unter Kontrolle, erfahren sie eine medizinische Betreuung, können sie dennoch auch alt werden.

Herr Gierkens etwa hört zwar etwas schlecht, ist ansonsten aber sehr gut beieinander. "Wenn mir etwas nicht passt, dann melde ich mich schon", sagt er. Das aber kommt so häufig gar nicht vor.

(RP)
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