Mörsenbroich Aufpasser und Kummerkasten

Mörsenbroich · Seit einem knappen Jahr ist Werner Reimann Bezirksdienstbeamter für Mörsenbroich und einen Teil Raths. Der Polizeihauptkommissar will bei seinem täglichen Rundgang durchs Revier ein Ansprechpartner für alle sein.

Werner Reimann setzt sich vor der Polizeiwache die Dienstmütze auf, dann macht er sich auf den Weg. Wenn es nicht stark regnet, schaut er jeden Tag in seinem Revier nach dem Rechten. Sein Revier, das ist das Gebiet rund um das Mörsenbroicher Ei und ein angrenzender kleiner Teil von Rath. Rund acht Kilometer kommen bei dem Rundgang zusammen, den der 58-Jährige täglich zurücklegt. Im neuen Jahr will er auch mal das Fahrrad nehmen, aber bislang ist der Bezirksdienstbeamte stets zu Fuß unterwegs gewesen.

Nach mehr als 40 Jahren im Polizeidienst sind für Werner Reimann die Zeiten mit Wach- oder Wechseldienst seit Februar 2016 vorbei. Als Bezirksdienstbeamter ist er jetzt nicht nur als Polizeihauptkommissar auf der Straße unterwegs, sondern auch als Ansprechpartner und Kummerkasten der Bürger. Die Aufgaben eines Bezirksdienstbeamten übernehmen bei der Polizei oft die älteren Kollegen, und obwohl der 58-Jährige erst ein knappes Jahr in seinem Revier arbeitet, wird er von den Menschen auf der Straße erkannt und gegrüßt.

Bei seinem acht Kilometer langen Rundgang weiß der gebürtige Bottroper vorher nie genau, was ihn erwartet. An diesem Tag führt ihn sein erster Weg in eine städtische Notunterkunft. Im Eingangsbereich riecht es unangenehm, das Treppenhaus ist dreckig, die Wände versifft. Werner Reimann ist auf der Suche nach einer Frau. Die Tür zu der Wohnung im zweiten Stock, in der sie leben soll, bleibt zu. Ein junger Afrikaner, der auch in dem Haus wohnt und gutes Deutsch spricht, versucht zu helfen. Erfolglos.

Es geht zum nächsten Termin. Auf der Straße wird der Polizeihauptkommissar von einem Mann angehalten. Ob er mit dem Auto ganz kurz im Parkverbot stehenbleiben dürfe, wird gefragt. Der 58-Jährige drückt bei kleineren Verstößen ganz bewusst ein Auge zu. Er will dadurch Vertrauen zu den Menschen in seinem Viertel aufbauen. Die Bürger sollen keine Scheu haben, ihm von ihren Sorgen zu erzählen und außerdem ist es mit einem respektvollen Miteinander auf Augenhöhe einfacher, an Informationen über schwerwiegendere Delikte zu kommen, die ihm dann zugeschoben werden. Als harter Hund in Uniform wäre das nicht möglich.

Beim zweiten Hausbesuch landet Werner Reimann einen Volltreffer - leider. Wegen häuslicher Gewalt dürfte ein Mann eigentlich für zehn Tage nicht in der Nähe seiner Frau sein, drei unangekündigte Kontrollen stehen in dieser Zeit an. Als der Polizist anklingelt und die Tür aufgeht, trifft er das Ehepaar zusammen in der Wohnung an. Beide sind Alkoholiker, haben wahrscheinlich wieder zusammen getrunken. Die Frau nimmt den Gewalttäter in Schutz, redet auf Werner Reimann ein, doch dieses Mal muss er hart bleiben. Der unerlaubte Besuch des Mannes, der in Jogginghose und mit einer Plastiktüte samt Leergut rasch verschwindet, wird später auf der Wache in einer Akte vermerkt. Es sind die unschöneren Aufgaben des 58-Jährigen. Wenn er in Schulen und Kindergärten den "Fußgängerführerschein" abnimmt, die Kleinen voller Respekt zu dem Polizisten aufschauen oder wenn er bei Martinszügen vorweg geht, wird er mehr geschätzt.

Nach dem Überraschungsbesuch bei dem Ehepaar wird der Bezirksdienstbeamte unten auf der Straße wieder angesprochen. Der Mann an der Bushaltestelle ist verwirrt, hat die Nacht im Freien verbracht und ist auf der Wache bekannt. Doch Werner Reimann kann dieses Mal nichts für ihn tun, gibt ihm die Adresse für eine Obdachlosenunterkunft, damit er die nächste Nacht nicht wieder frieren muss.

Es geht langsam zurück zur Polizeistation an der Wilhelm-Raabe-Straße. Im Kiosk auf der anderen Straßenseite der Wache schaut der 58-Jährige bei seinem Rundgang immer vorbei, dort wird der Bezirksdienstbeamte geduzt, wenn er sich nach Neuigkeiten aus dem Viertel umhört. Es ist das Revier von Werner Reimann, in dem es an diesem Tag ruhig bleibt.

(RP)
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