Lörick Das Leben und der Zufall

Lörick · Theodora Kaiser musste mit vielen Rückschlägen kämpfen. Doch die heute 52-Jährige hat immer an sich geglaubt und an ihren Träumen festgehalten. Heute unterrichtet sie Yoga - in Cafés, Buchhandlungen und Firmen.

 Immer montags gibt Theodora Kaiser Yoga-Unterricht in der Rösterei Vier an der Wallstraße.

Immer montags gibt Theodora Kaiser Yoga-Unterricht in der Rösterei Vier an der Wallstraße.

Foto: anne orthen

Ihr Yoga-Unterricht ist so ungewöhnlich wie sie selbst. Theodora-Kaiser sitzt nicht einfach in einem Studio, wo sich montags, dienstags oder mittwochs ihre Schüler treffen. Sie bringt ihre Atem- und Entspannungsübungen mit, besucht Unternehmen, Buchhandlungen oder Cafés. Und Beine um den Kopf schlängeln muss bei Theodora Kaiser niemand können.

Schon als Kind ist Theodora Kaiser anders als die anderen. Sie hat lange dunkle Haare, die sich kräuseln, ihre Augen sind fast schwarz, ihre Haut olivfarben. "Ich bin damals aufgefallen", sagt die 52-Jährige. Sie lebt bei ihrem Vater, ein Architekt, der aus Belgrad kommt. Ihr Leben ist gut, aber sie will raus aus Düsseldorf, aus Deutschland. Nach dem Fachabitur packt sie ein paar Sachen zusammen, zieht nach San Francisco. Ein Jahr arbeitet sie dort, bis sie das Geld zusammen hat für ein Studium in Los Angeles. Sie lernt einen Mann kennen und wird schwanger, "mit 20". Ein Fotografie-Student ist er gewesen, mittellos, aus dem Libanon. "Ich dachte, ich schaff' das schon", erzählt Kaiser. Damals kommt sie zum ersten Mal mit Yoga in Berührung, durch einen Zufall. Der Zufall spielt in Kaisers Leben eine große Rolle, "mir fallen Dinge irgendwie zu", sagt sie. Zur Schwangerschaftsgymnastik will sie eigentlich, vergreift sich in der Tür und bleibt.

Als ihre Tochter 89 geboren wird, kommt Kaiser zurück nach Düsseldorf. Als Alleinerziehende in LA ist es zu schwer gewesen. Mit Jobs hält sie sich über Wasser. Dann verliebt sich Kaiser in die Stimme eines Straßenmusikers: "Er war süß zu meiner Tochter." Das Paar eröffnet eine Musikschule, "Thea, Mirko und die Pänz". Aber die Beziehung läuft schlecht, "ich hoffte, dass uns ein Tapetenwechsel guttut", sagt sie. Die Familie zieht nach Hamburg, Kaisers zweite Tochter kommt zur Welt. "Aber es funktionierte nicht zwischen uns", sagt Kaiser. Sie gibt alles auf und geht. Mit ihren Kindern. 1998 war das, wieder fängt Kaiser von vorne an, wieder ist Düsseldorf ihr Zufluchtsort.

Nach dem Umzug hat sie Schmerzen in der Hüfte, sie denkt an einen Leistenbruch. Der Arzt stellt eine Hüftdysplasie fest, eine Fehlstellung. Man sägt ihr die Oberschenkelknochen durch, setzt einen Keil ein, um den Winkel zu verbessern. Drei Jahre dauert es, bis Kaiser wieder gesund ist. Dazu die beiden Kinder, kein Geld. Sie modelt nebenher, gibt Yoga-Stunden, "ich glaube, die Leute hatten Mitleid", sagt sie. Ihre große Tochter ist inzwischen 14, in der Pubertät. Ihr Vater alt. Von Freundinnen borgt Kaiser sich Geld. Tagsüber funktioniert sie, abends kommen die Tiefs. "Ich war irgendwann völlig emotionslos", sagt Kaiser. Depressiv. Sie macht eine Therapie und beginnt zu schreiben. Über Menschen, Beziehungen, alles, was sie ablenkt. Plötzlich ist der Traum vom Studium wieder da.

Theodora Kaiser entdeckt ihre Leidenschaft für Platon, für Sokrates. "Das ist meine Berufung", dachte sie damals und schreibt sich für Philosophie ein. Im Nebenfach studiert sie Psychologie, ihre Magisterarbeit nimmt sie mit nach Berlin. Weil es ihre ältere Tochter dorthin zieht. "Irgendwann brachte meine jüngere Tochter eine Schulfreundin mit, die schwere seelische Probleme hatte", sagt Kaiser. Eine junge Afrikanerin, deren Eltern gestorben sind und die bei ihrer Tante lebt, die sie ausbeutet. "Ich habe mich so stark gefühlt damals", sagt Kaiser, sie widersetzt sich sogar der Polizei, die ihr Kindesentführung vorwirft. Bald kommen weitere Kinder, denen Kaiser hilft, die junge Afrikanerin aber bleibt. "Sie ist meine Tochter", sagt Kaiser.

2010 stirbt Theodora Kaisers Vater, ihre Töchter sind aus dem Haus. Kaiser sehnt sich zurück nach Hause, nach Düsseldorf, wo sie sich immer sicher fühlte. Als endlich ein bisschen Ruhe einkehrt in ihr Leben, diagnostizieren die Ärzte Hashimoto-Thyreoiditis. Eine Schilddrüsenkrankheit, die unheilbar sein sollte. Damit will sich Kaser nicht abfinden. All ihr Yoga-Wissen kramt sie zusammen, "ich habe ausprobiert, was mir guttut", sagt sie. "Irgendwann war das Blutbild unauffällig", sagt Kaiser, die nach ihrem Selbsttest beginnt, Yoga zu unterrichten. Reich wird sie damit nicht werden, manchmal sind die Tage lang. "Aber ich helfe den Menschen, sich lebendig zu fühlen", sagt sie.

Mit 45 macht sie ihren Abschluss, mit 49 heiratet sie. Einen Mann, den sie von früher kennt und der ihr wenige Monate nach dem Wiedersehen einen Antrag macht. Sie ist glücklich. So sehr, dass sie manchmal Angst hat, dass etwas schief geht. Dann aber denkt sie an ihre Träume, wie sie es immer getan hat, vielleicht macht sie irgendwann ihren Doktor, vielleicht lebt sie in Italien, vielleicht schreibt sie. Yoga aber wird immer in ihrem Leben sein.

(RP)
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