Knittkuhl "Wir brauchen keine Männer"

Knittkuhl · Gerhard Pietsch ist ein Tanzlehrer mit Herz und Leidenschaft. In Knittkuhl kommen regelmäßig ein Dutzend Frauen ab 50 Jahren zu seinen Kursen, die auch ohne männliche Partner viel Spaß an Bewegung und Geselligkeit haben.

 Keine Berührungsängste: Gerhard Pietsch hat mit seiner Gruppe in Knittkuhl viel Spaß.

Keine Berührungsängste: Gerhard Pietsch hat mit seiner Gruppe in Knittkuhl viel Spaß.

Foto: Anne Orthen

Gerhard Pietsch ist ein alter Hase im Geschäft. Der Tanzlehrer, der fast ausschließlich die Generation "50+" bedient, kennt 400 unterschiedliche Tänze, mit denen er seine Schüler begeistert. 500 Filme hat er auf Youtube gestellt, um auch dem letzten Zweifler zu beweisen, wie einfach und erfüllend Tanzen sein kann. Ein Problem ändert sich jedoch nie: "Ich habe mehrere Gruppen, überall fehlt es an männlicher Unterstützung. 140 Frauen kommen bei mir auf acht Männer. Die trauen sich nicht oder sind zumindest schwer zu motivieren. Das ist halt so", sagt der 61-Jährige.

Die Gruppe in der evangelischen Kirche in Knittkuhl scheint das nur wenig zu stören. Die Damen haben einen Heidenspaß und zeigen gerne, was sie können. Rote Bändchen am Handgelenk zeigen an, wer führt, wer also quasi in die Rolle des Mannes schlüpft, "aber Führungsqualitäten sind hier ohnehin nur bedingt gefragt", sagt Pietsch. Er würde mit den Frauen vor allem Tänze in der Gruppe praktizieren, Line-, Block und Kreistänze zum Beispiel, hin und wieder auch Squaredance, "das kommt am besten bei meinen Mädchen an".

"Früher habe ich viel mit meinem Mann getanzt. Als der keine Lust mehr hatte, war ich froh, dass ich hier auch allein hingehen konnte, um Gleichgesinnte zu treffen", berichtet Ilse Liebich. Auch Rosemarie Momm sagt: "Es ist zwar schade, aber eigentlich brauchen wir keine Männer. Das Tanzen tut uns gut, kräftigt den Rücken, fördert die Konzentration und macht uns einfach glücklich." Anneliese Straßburger fügt hinzu: "Neben dem gesundheitlichen Aspekt steht auch der gesellige hoch im Kurs. Wir lachen viel, vor allem über unsere eigenen Fehler."

So etwas hört Gerhard Pietsch natürlich gerne. "Man darf zudem nicht vergessen, Tanzen, das Lernen der einzelnen Schrittkombinationen und Figuren, schult das Gedächtnis, spricht alle Sinnesorgane an und beugt dementsprechend Demenz vor, mehr noch als etwa das Lösen von Kreuzworträtseln. Das ist wissenschaftlich bewiesen", betont er. Seine älteste Teilnehmerin in einem Kurs sei 86 Jahre alt, "und die ist topfit". Natürlich weil sie tanze, ist der Lehrmeister überzeugt.

"Tschüss Mäuschen", verabschiedet Pietsch eine seiner jung gebliebenen Eleveninnen, die heute etwas früher gehen muss. 32 Jahre hat der geborene Lierenfelder in Düsseldorf gewohnt, bis es ihn privat in die Pfalz gezogen hat. Nichtsdestotrotz lässt er seine Gruppen in Düsseldorf und der näheren Umgebung nicht im Stich, fährt jeweils drei Stunden hin und zurück, versucht aber zumindest, die Kurse miteinander zeitlich zu verknüpfen, damit nicht noch mehr als die ohnehin schon 100.000 Kilometer im Jahr im Auto zusammenkommen.

Das danken ihm auch die Frauen in Knittkuhl. "Wir wollen uns bewegen, auch mal Tango oder Rock'n Roll tanzen, nur meditative Tänze sind nicht unser Ding", sagt Anneliese Straßburger. Darauf nimmt Pietsch selbstredend Rücksicht: "Ich will meine Mädchen ja nicht verprellen."

(RP)
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