Hafen Ein Fleckchen Heimat mitten im Hafen

Hafen · Ewa und Harry Haak leben zwischen Rhein und Industrie. Am letzten Zipfel des Hafengebietes steht ihr Haus.

Lina bellt. Die Schäferhündin ist wachsam. Das muss sie auch. Ewa und Harry Haak leben einsam am Rande des Hafengebiets. Ihr 100 Quadratmeter großes Haus steht auf dem letzten Stück der Landzunge. Danach kommt nur noch die Fußgängerbrücke, die zum Festland mit dem Rheinturm führt. In der Bremer Straße sind sie fast die einzigen Bewohner. Fast.

Ein Mann, die Haaks nennen ihn den "Junggesellen", lebt noch dort. Er ist aber kaum zu Hause. Einsamkeit mitten in der Großstadt. Der Stadtlärm ist weit weg. Dafür hört man das Rauschen der vorbeifahrenden Schiffe, das Rattern der Werkzeuge der Hafenmitarbeiter und Lina.

"Lina", ermahnt Harry Haak seine Hündin. Er steht in einem blauen Overall in seiner Werkstatt, die zum Hof offen ist. An einer grünen Metallstange bringt er Schrauben an. "Ich will den Zaun höher machen. Damit uns keiner in die Kochtöpfe gucken kann", sagt der 77-Jährige scherzhaft, wird dann aber ernst: "Bei unserem Nachbarn haben sie oft eingebrochen. Einmal sogar nachts, als er schlafend im Bett lag." Das Nachbarhaus steht nicht mehr, vor Kurzem wurde es abgerissen. Der Mann zahlte wohl nicht mehr die Pacht an die Stadt. Der gehören nämlich die Grundstücke, auf denen die Bewohner der Bremer Straße leben.

Seitdem das Nachbarhaus weg ist, haben die Haaks Angst, dass ihr Haus Ziel von Einbrechern wird. Ziel von Vandalismus seien die Häuser jedenfalls oft. "Die Jugendlichen, die sich abends am Rhein treffen und sich betrinken, schmeißen auch schon mal Steine in die Fenster", erzählt Haak. Sein Haus ist nur durch den Fußgängerweg vom Rheinstrand getrennt. Der zieht viele Leute an. Einige davon verirren sich auch schon mal auf das Grundstück der Haaks. Davon sind sie nicht begeistert. "Es wird auch gemunkelt, dass am Strand ein Restaurant entstehen soll", sagt Ewa Haak und fügt mit einem sorgenvollen Blick hinzu: "Hoffentlich kommt es nicht dazu."

Harry Haak lebt schon seit über 30 Jahren im Hafen. Seine erste Frau, die verstorben ist, besaß dort einen Fuhrbetrieb. Und so bauten sie auf dem rund 900 Quadratmeter großen Grundstück ein Haus. 2003 zog dann Ewa Haak ein. Harry und sie hatten sich im Schwimmbad kennengelernt. "Ganz klassisch", sagt sie. "Ich weiß aber nicht mehr, wer den ersten Schritt gemacht hat." Die 71-Jährige gab ihre Wohnung in Dormagen auf und wohnt seitdem im Düsseldorfer Hafen. Ihr gefiel gleich, dass es dort so grün und einsam ist. Vor dem Grundstück hat die gebürtige Polin ein kleines grünes Paradies mit vielen Sträuchern und Pflanzen geschaffen. "Wir sind meistens draußen. Mein Mann findet immer irgendwas, woran er basteln kann", sagt sie.

So ist es auch heute an einem grauen Novembertag. Während Harry Haak den Zaun am Haus erhöhen will, wirbelt Ewa Haak in der Küche herum. Um den Tisch reihen sich vier Holzstühle, die genauso wie die Küche im 80er-Jahre-Stil sind. Eiche rustikal. Es riecht nach Sauerkraut. Auf der Arbeitsplatte liegen rote Topflappen mit der Aufschrift "Sterneküche". Im kleinen Raum nebenan steht ein Ofen. Er heizt, als gäbe es keinen Morgen. "Ich muss neue Pellets kaufen", stellt Ewa Haak fest. "Die habe ich beim letzten Mal vergessen."

Auch wenn es nicht immer so einfach sei, so abseits zu leben, wollen weder Ewa Haak noch ihr Mann das Haus im Hafen irgendwann aufgeben. Dafür lieben sie die Natur und die Einsamkeit dort viel zu sehr. Wenn sie im Sommer im Hof sitzen, können sie direkt auf den Rheinturm blicken. Auch die Hochhäuser im Medienhafen ragen über ihre Schuppen. "Wir hatten die besten Plätze, um den Rheinkometen zu sehen", sagt Ewa Haak. Die Nähe zum Medienhafen habe aber auch Nachteile.

"Wir brauchen keine Musik, die kommt vom Restaurant auf der anderen Seite des Wassers", sagt Ewa Haak. Genießen würde sie hingegen das Geräusch der vorbeifahrenden Schiffe in der Nacht. "Die Leute im Hafen müssen schließlich ihre Arbeit machen", sagt sie.

So wie Harry Haak. Er steht auf der Leiter hinter seinem Haus. Dort, wo kürzlich das Nachbarhaus abgerissen wurde. Die Erde ist noch ganz frisch aufgewühlt. "Ich würde hier gerne die Wand bepflanzen", erzählt Ewa Haak. "Wir hoffen, dass die Stadt uns hier wohnen lässt", sagt Harry Haak. Seine Frau fügt nüchtern hinzu: "Die wartet doch nur darauf, dass wir die Augen zumachen."

Lina sprintet über das Feld und jagt auf das Tor zu. Ein Spaziergänger mit Hund kommt daran vorbei.

(eler)
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