Grafenberg Das Phänomen Flin

Grafenberg · Aus dem Theater Flin wurde das KaBARett Flin. Der Umzug von Flingern nach Grafenberg hat funktioniert, seit der Neueröffnung im März war nahezu jede Vorstellung in dem winzigen Kleinkunst-Theater ausverkauft.

 Philipp Kohlen-Priebe (l.) und Oliver Priebe nehmen sich vor der Vorstellung die Zeit für einen Plausch mit den Gästen Linda Blok (l.) und Ruth Meyer zu Bentrup.

Philipp Kohlen-Priebe (l.) und Oliver Priebe nehmen sich vor der Vorstellung die Zeit für einen Plausch mit den Gästen Linda Blok (l.) und Ruth Meyer zu Bentrup.

Foto: Anne Orthen

Die Tür geht auf, und ein weiterer Gast betritt das Theater. "Du hier und nicht in Hollywood?", fragt Philipp Kohlen-Priebe gespielt überrascht und zaubert dem Neuankömmling ein verschmitztes Lächeln ins Gesicht. Es ist wieder Showtime für das Intendanten-Duo Kohlen-Priebe und Oliver Priebe, denn das familiäre Flair, das Vorspiel vor der Vorstellung im Kabarett Flin, ist mindestens ebenso wichtig wie das spätere Bühnengeschehen.

Nur rund 70 Besucher finden Platz im Nachfolge-Domizil des Theater Flin an der Ludenberger Straße, und jeden einzelnen heißt Kohlen-Priebe willkommen, führt ihn zu einem der Bistrotische, die vor der Bühne platziert sind. Bei Priebe an der Theke in der zum Bühnenraum offenen Bar decken sich die Zuschauer mit Pilsener Urquell aus der Flasche oder einem Glas Weißwein ein und bestellen dazu vielleicht eine Currywurst im Glas für den kleinen Hunger. Kohlen-Priebe schaut auf seinen Spickzettel: "Außenbeleuchtung anmachen", hat er sich notiert. Er wetzt nach draußen. Noch ist am neuen Standort nicht alles eingespielt.

Das Konzept geht seit dem Umzug von der Ackerstraße zum Staufenplatz auf, seit März war fast jede Vorstellung ausverkauft, und für den Mai sieht es für Neugierige nicht viel besser aus. Es ist nicht immer Hochkultur, die im Kabarett Flin zwischen Comedy und Komödie, Chanson- und Heinz-Erhardt-Abend geboten wird. Aber deswegen heißt es ja auch Kleinkunst-Theater. Es ist mehr das Gesamterlebnis eines solchen Abends, das dazu geführt hat, dass dem Betreiber-Duo nicht nur die Stammgäste aus Flingern erhalten geblieben sind, sondern sogar jede Menge neue Besucher die kleine Kulturstätte für sich entdeckt haben. Es wird viel gelacht, schon bevor sich der Vorhang hebt. Menschen, die sich bislang fremd waren, kommen fast zwangsläufig miteinander ins Gespräch, denn viel Platz ist nicht zwischen den Thonet-Stühlen.

Das Jugendstil-Interieur wirkt ein wenig plüschig, einem französischen Cabaret nachempfunden, könnte man meinen. Die Farbe Rot dominiert. Über einem Klavier in der Ecke hängt eine Karikatur von Mutter Ey, daneben Fotos der beiden Flin-Protagonisten in Karnevalskostümen, auf dem Klavier steht ein Pokal. "1. Platz Theaterfest Hilden", ist darauf zu lesen.

Dieser Abend ist eine Verbeugung vor Hildegard Knef. "Für mich soll's rote Rosen regnen", lautet der Titel der Revue mit Liedern, Gedichten, Schlagzeilen der deutschen Diva. Natürlich ist kein Stuhl frei geblieben. Die Frauen im Publikum sind klar in der Überzahl, aber das ist ja eigentlich immer so im Theater. Priebe hat sich in die Küche verzogen, Kohlen-Priebe gönnt sich eine Cola und genießt still aus dem Hintergrund. Sein Part ist vorerst vorbei, später wird der Conférencier aus Grafenberg noch jeden Gast persönlich verabschieden. Sie werden mit einem Lächeln auf den Lippen gehen. Wie jeden Abend. Kohlen-Priebes Fazit nach zwei Monaten Kabarett Flin: "Das Schicksal hat es gut mit uns gemeint."

Am 22. Mai steht wieder "Fast Faust - oder des Pudels Kern" vom Ensemble Flin auf dem Programm, und Karten gibt es auch noch. Oliver Priebe steht zusammen mit Daniel Marré selbst auf der Bühne, Philipp Kohlen-Priebe führt Regie. Die "Kultkomödie mit Spaßgarantie" verdeutlicht wie keine zweite Inszenierung, was die Zuschauer im Flin erwartet: Original-Goethe-Texte werden in witzige Dialoge gepresst, kleine Albernheiten sind nicht nur erlaubt, sondern werden vom Publikum gewünscht. Mehr als 100 ausverkaufte Vorstellungen hat es bisher von "Fast Faust" gegeben - erfolgreiches Volkstheater, das funktioniert, weil es eben so ist, wie es ist, und keiner die tiefgründige Botschaft sucht.

(RP)
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