Gerresheim Und plötzlich kamen die Ungarn

Gerresheim · Stadtführerin Ute Pannes taucht bei Führungen tief in die Geschichte von Gerresheim ein.

 Ute Pannes (Mitte) erklärt den rund 20 Teilnehmern der Führung die Historie von Gerresheim.

Ute Pannes (Mitte) erklärt den rund 20 Teilnehmern der Führung die Historie von Gerresheim.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Am Anfang stand die Gründung eines Frauenstifts im neunten Jahrhundert, am Ende die 1864 von Ferdinand Heye errichtete Glashütte. Zumindest beim Rundgang von Stadtführerin Ute Pannes durch Gerresheim. Das sind schon ein paar Jahrhunderte durch die Zeit, aber nur wenige hundert Meter im historischen Ortskern des Stadtteils. Denn der birgt zwischen Rathaus und Altem Markt viel Geschichte - und noch mehr Geschichten.

So richtig Fahrt nimmt die Führung bereits am Gerricusplatz auf, wenn Pannes über jenes Damenstift erzählt, das der fränkische Edelmann Gerrich, dem Gerresheim seinen Namen zu verdanken hat, für seine Tochter Regenbierg im Pillebachtal errichtete. "Für eine unverheiratete Hochadelige blieb nur das Stift, sonst hätte sie ihr Vermögen abgeben müssen. Als Frau allein war man ein Nichts", so Pannes unverblümt. Es folgten Jahre des Wohlstands - bis plötzlich 919 die ungarischen Reiterhorden einfielen, die Männer töteten und das Stift zerstörten. Aber das Anwesen wurde wieder aufgebaut und 970 neu eröffnet. Gerresheim wurde zu einem prosperierendem, für die damalige Zeit wahrscheinlich sogar pulsierendem Ort. Im Schatten der kleinen Pfarrkirche (dem heutigen Aloysianum) wurde die große Stiftskirche erbaut und 1236 eingeweiht. "Zu dieser Zeit lebte die Crème de la Crème der unverheirateten Damen des Hochadels in Gerresheim", verstand es Pannes, den Männern bei der Führung Seufzer zu entlocken.

Ende des 14. Jahrhunderts wurde eine Stadtmauer um Gerresheim gezogen, nur der Osten wurde ausgespart, "da fühlte man sich durch die Sümpfe sicher", sagt Pannes. Ab 1423 wurde zudem mit riesigem Aufwand im Wasser ein außergewöhnliches Haus gebaut, "mit einem Backsteinkern, der zehn Meter in die Tiefe ragte, absolut stabil, der auch ein Zufluchtsort für die Stiftdamen war" - der Quadenhof. Nur: Da hatten die Gerresheimer nicht Erzbischof Gebhard Truchsess von Waldburg auf der Rechnung, der 1586 im Zuge des Truchsessischen Krieges mit seinen Mannen die Sümpfe mit Hilfe eines Knüppeldamms überwand und alles niederbrannte. "Zumindest hat er vorher noch seine große Liebe, Agnes von Mansfeld, geheiratet", erzählt Pannes. Aus Liebe zu der Kanonissin des Stifts in Gerresheim konvertierte er zum evangelischen Glauben - und beschwor so den Truchsessischen Krieg auf. Mit Gerresheim ging es fortan langsam bergab, die Stadt verarmte. Nur zwischen 1736 und 1738 erlangte der Ort wegen der letzen Hexenprozesse am Niederrhein noch einmal überregional traurige Bekanntheit. Das Stift schloss 1806, in der Stiftskirche schauten die Nonnen aus dem 1465 gegründeten Katharinenbergkloster nach dem Rechten, für das 1834 ebenfalls das Aus kam. In dem heutigen Rathaus nahm die industrielle Entwicklung in Gerresheim ihren Anfang, drei florierende Drahtstiftefabriken wurden gegründet. Und dann kam Ferdinand Heye und errichtete im Süden, direkt an der damals neuen Bahnstrecke, die Glashütte. Facharbeiter gab es nicht, die holte er aus dem Westerwald, später aus Schlesien oder Pommern. Aber das ist eine andere, ohnehin schon oft erzählte Geschichte.

(RP)
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