Gerresheim Tango, Trash und Teilhabe

Gerresheim · Der Kulturbahnhof Gerresheim ist in den ersten Monaten gut angelaufen, das vielfältige Programm lockt ganz unterschiedliche Besucherschichten an. Weitere Projekte sind in Arbeit. Nur das Café wartet noch auf Kunden.

 Carsten Reinhold Schulz hat viele Ideen für den Kulturbahnhof Gerresheim. Einige hat er bereits umgesetzt, andere schlummern noch in der Schublade.

Carsten Reinhold Schulz hat viele Ideen für den Kulturbahnhof Gerresheim. Einige hat er bereits umgesetzt, andere schlummern noch in der Schublade.

Foto: Bernd Schaller

Der Vermieter ist zufrieden: "Wenn man bedenkt, dass diese einmaligen Räumlichkeiten ewig brachlagen, ist die Entwicklung in den vergangenen vier Jahren schon enorm", sagt Piet Neiser, Eigentümer des Gerresheimer Kulturbahnhofes. Er selbst hat mit der Sanierung des denkmalgeschützten Objekts den Grundstein für eine Zukunft als Kulturstätte gelegt, jedoch lange vergeblich Ausschau nach jemandem gehalten, der auch dauerhaft mit einem tragfähigen Konzept Leben in den Gebäudetrakt bringt. Mit Carsten Reinhold Schulz, der hinter dem Projekt "Neunzig im Haus" steht, scheint der nun gefunden zu sein. Seit Mitte Mai versucht Schulz mit einem Café und einem sehr vielfältigen kulturellen Programm, zu dem nicht zuletzt Outsider-Kunst zählt, im Stadtteil Fuß zu fassen. "Das geht schon in die richtige Richtung", sagt Neiser.

Wenn Schulz auf die vergangenen Wochen zurückblickt, drängt sich ihm vor allem die Graffiti-Ausstellung der Majo Brothers auf, die ein bombastischer Erfolg gewesen sei. Aber auch das denkwürdige Free-Jazz-Konzert des Trios von Senger, Nowakowski und Kirschgen am vergangenen Wochenende, eine echte Uraufführung, oder kleinere Ideen, die umgesetzt wurden, wie der Mittags-Tango, hätten die Ausrichtung des Kulturbahnhofs verdeutlicht und ein entsprechendes Publikum gefunden, erklärt Schulz.

Neu im Kulturbahnhof sei auch der Filmclub Trash-n'-Beer jeden zweiten Mittwoch im Monat. Im Oktober soll der Gebäudekomplex zudem für die Clubbing-Szene (Kaninchendisko, zuvor an der Tonhalle) geöffnet werden. Auf Mitte November ist die Ausstellung "Hyper Kiosque Suicide" mit Arbeiten zu "aktivem Sterben, Natur und Tod" terminiert, einem Kooperationsprojekt von Düsseldorfer Künstlern, Schülern und Studenten. Viele weitere Ideen schlummern noch in der Schublade, "wir bleiben ganz bestimmt experimentierfreudig", verspricht Schulz, der Ende des Jahres auf eine Förderung seitens der Stadt hofft. "Dann könnten wir natürlich ganz anders planen."

Zu den Projekten, die bislang lediglich auf dem Papier existieren, zählen ein DJane-Contest, eine Street-Food-Veranstaltung, ebenso soll dem Theater eine Bühne geboten werden. Schulz könnte sich Zirkus-Formate vorstellen, Fotografie-Workshops, aber auch Vorlesungen von Philosophen aus Gerresheim. Und natürlich ist ihm das Thema Teilhabe sehr wichtig - ob mit Schulen, Senioren, Speed-Datern, Tierschützern, Häftlingen oder Flüchtlingen. "Jeder Flüchtling erzählt seine ganz persönliche Geschichte", nennt er einen Vorschlag. Auch die Kunst von geistig Behinderten oder psychisch Erkrankten soll gefördert werden. Blauäugig ist Schulz aber nicht und sich der wirtschaftlichen Tragweite des Vorhabens durchaus bewusst, daher will er die Location nicht zuletzt für Messen, Seminare oder Präsentationen öffnen, die Vereine in Gerresheim dabei aber nicht vergessen.

Was bislang nur bedingt funktioniert hat: Es hat sich in und um Gerresheim noch nicht wirklich herumgesprochen, dass der Kulturbahnhof ein Café hat. "So etwas braucht seine Zeit, ein halbes Jahr Geduld muss man da mindestens haben", zeigt Neiser Verständnis. "Das Potenzial ist durch den S-Bahnhof ja zweifelsohne vorhanden. Dass es hier regelmäßige Öffnungszeiten gibt, hat aber offenbar noch nicht jeder realisiert."

(RP)
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